Schlagwort-Archive: US-Jazz

John Scofield: Country For Old Men

Ein Holzhaus irgendwo im Osten der USA aus starrer Adlerperspektive. Das Nachtlicht ist noch an. Tonspur: „Gute Nacht, John-Boy!“ – „Gute Nacht, Steve!“ – „Gute Nacht, Larry!“ – „Gute Nacht, John-Boy!“ – „Gute Nacht, Mama!“ Dolly Parton deckt Bill Stewart liebevoll zu. „Gute Nacht, John-Boy!“ – „Gute Nacht, Bill!“ Der Rezensent wacht schweißgebadet auf. John Scofield spielt Country. Muss das sein? John Scofield: Country For Old Men weiterlesen

The Bad Plus Joshua Redman

Muss das Runde eigentlich immer in das Eckige? Die meisten Alben von Joshua Redman gefallen mir: auch seine Live-Auftritte. The Bad Plus, ein Trio aus Minneapolis, mag ich ebenfalls: live wie auf Platte. Äußerst gewöhnungsbedürftig erscheint mir die Kombination dieser beiden unterschiedlichen musikalischen Welten – wenn das Kantige, Eckige von Bad Plus mit dem vollen runden, manchmal auch hektischen Ton von Redman The Bad Plus Joshua Redman weiterlesen

Ron Carter & WDR Big Band: My Personal Songbook

Begeisterung: Frank Zappa hat sich geirrt! Der Jazz ist nicht tot – und er riecht auch nicht schlecht. Dies beweist Ron Carter mit seinem neuen Album, das er mit der WDR-Bigband eingespielt hat. Auf „My Personal Songbook“ kultiviert das Ausnahmetalent aus Michigan die besten Momente zeitlos guten Jazz‘. Schon der Opener „Eight“ zeigt wohin die Reise geht Ron Carter & WDR Big Band: My Personal Songbook weiterlesen

China Moses & Raphael Lemonnier: Crazy Blues

China Moses - Crazy BluesSo richtig was Neues haben die amerikanische Sängerin China Moses und der französische Pianist Raphaël Lemonnier nicht  ausgeheckt. Aber das ist in diesem Fall ziemlich egal: Zwölf  frisch interpretierte Songs machen das zweite Album der Tochter von Dee Dee Bridgewater und dem Allzwecktalent aus Nimes zu einer exquisiten Musik-Wundertüte. Die Bandbreite reicht von Standards wie „Cherry Wine“ über Discohymnen von Donna Summers „Hot Stuff“ und den Janis-Joplin-Klassiker China Moses & Raphael Lemonnier: Crazy Blues weiterlesen

Joe Lovano/Us Five: Cross Culture

Joe Lovano - Cross CultureVermutlich könnte der Mann auch den abgenudelsten Schlager anstimmen und würde dem Stück doch noch ein, nämlich sein ganz eigenes Leben einblasen. Wir erinnern uns, dass Joe Lovano vor gut einem Jahrzehnt einmal ein Album mit Stücken von Enrico Caruso aufnahm und am Ende sein Tenorsaxophon den Populär-Klassikern einen fast schon magischen Ausdruck verpasst hatte. Diesmal bewegt sich der 60-Jährige zwar mit „Cross Culture“ in den traditionellen Sphären des Jazz – und Joe Lovano/Us Five: Cross Culture weiterlesen

Joe Sample/NDR Bigband: Children Of The Sun

Joe Sample - Children of the SunSpiritualität ist eine Dimension des Lebens, die von der Moderne in die Defensive gedrängt wurde – und in Zentraleuropa fast verschwunden ist. Anderswo steht sie nicht unter dem Generalverdacht des Esoterischen. Als sich Joe Sample nach einem Herzinfarkt 1995 auf den Jungferninseln an die Sklaven erinnerte, die früher dorthin verschleppt wurden, dachte er an die spirituelle Kraft, mit der sie ihre ausweglose Situation durchstehen mussten. Für sie schrieb er die Stücke dieses Albums, das in Joe Sample/NDR Bigband: Children Of The Sun weiterlesen

Chick Corea/Eddie Gomez/Paul Motian: Further Explorations

Corea, Gomez, Motian - Further ExplorationsViel Neuland kann Chick Corea im Jazz nicht mehr entdecken. Für sein jüngstes Album griff er deshalb auf eine Liveaufnahme aus dem Jahr 2010 zurück: Ein Konzert im New Yorker Blue Note, das Pianolegende Bill Evans huldigt – zusammen mit dessen früheren Weggefährten Eddie Gomez (Bass) und Paul Motian (Drums). 50 Jahre nach Evans‘ Album „Explorations“ forschen die drei erneut nach ungehörten Facetten des Acoustic Jazz. Die 19 frischen Tracks – inklusive eines bisher unveröffentlichten Chick Corea/Eddie Gomez/Paul Motian: Further Explorations weiterlesen

Branford Marsalis & Joe Calderazzo: Songs Of Mirth And Melancholy

Branford Marsalis and Joe CalderazzoAusgerechnet beim Promigolfen beschlossen Saxofonist Branford Marsalis und Joey Calderazzo, Kenny Kirklands Nachfolger in Marsalis' Quartet, es auch als Duo zu versuchen. Herausgekommen ist dabei eine Art Panoptikum disparater Kabinettstücke. Erst gibt Pianist Calderazzo die Ragtime-Maschine – „and now for something completely different“: Die beiden ergehen sich in einer klassisch-romantischen Walzerballade. Blende. Close-up auf ein sperrig-minimalistisches Kompositionsexerzizium. Cut! Hier ist mal ein auf Postbop gefönter Barjazz mit kontrapunktischen Einsprengseln. Und huch! fällt das Bahms-Lied „Die Trauernde“ vom Himmel. Bei allem Spaß an Perfektion: Man hat den Eindruck, die beiden könnten fast alles, müssten aber aus innerem Drang gar nichts, und so bleibt die Musik steril. Sven Sorgenfrey (24.7.2011)

John Scofield: A Moment’s Peace

John Scofield - A Moments Peace15 Jahre nach dem unverstärkt eingespielten Album „Quiet“ legt der Apologet des „Loud Jazz“ wieder ein Werk mit eher besinnlichen Stücken vor. Statt eines Bläserensembles wählt er diesmal seine Stromgitarre und die klassische Quartettbesetzung mit Larry Goldings an Klavier und Schweineorgel. Neben fünf eigenen Stücken macht sich Sco an Evergreens wie „I Loves You Porgy“ oder „I Will“ von den Beatles. Das ist nicht ganz ohne Risiko, denn es gilt, den sattsam bekannten Stücken neues Leben einzuhauchen. Das aber gelingt dem Meister durchweg bravourös. In „I Want to Talk about You“ präsentiert er die Essenz seiner Improvisationskunst, „Gee, Baby, Ain’t I Good to You“ kredenzt er als Destillat des bluesigen Jazz – näher hat er sich kaum je öffentlich an sein Idol B.B. King herangerobbt. Sven Sorgenfrey (22.5.2011)

Label: Emarcy/Universal

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James Farm: James Farm

James Farm - James FarmHinter dem kryptischen Bandnamen verstecken sich Saxofonist Joshua Redman, Pianist Aaron Parks, Bassist Matt Penman und Schlagwerker Eric Harland – jeder für sich ein Markenname. Als Quartett heben die Musiker Synergien, die auf eine glorreiche Zukunft hoffen lassen. Denn mit spielerischer Leichtigkeit zelebrieren die vier Gruppenimprovisationen von großer Dichte und Komplexität. Souverän bedienen sie sich an einem breiten Spektrum von Genres. Was sie machen, geht unter die Haut und in die Beine, öffnet neue Perspektiven, rührt an, überrascht und erzeugt schlichtweg gute Laune. Dabei kann man allerlei lernen über musikalische Strukturen, 1001 Arten des gepflegten Grooves und die Kunst kollektiver Improvisation. Oder man stellt das Hirn auf Stand-by, schließt die Augen und genießt. Sven Sorgenfrey (15.5.2011)

Label: Nonesuch/Warner

Al Di Meola: Pursuit of Radical Rhapsody

Al Di Meola - Pursuit of Radical RhapsodyNach längerer Pause kommt der Großmeister der schnellen Konzertgitarre mit einem Album um die Ecke, das deutlich komplexer gestrickt ist als alles, was man zuvor von ihm gehört hat. Mit seiner „World Sinfonia“-Band mischt er dank großer Leichtigkeit, Finesse und ungeheurem Spielspaß ein breites Spektrum unterschiedlicher Weltmusikstile mit den besseren Teilen von Fusion-Jazz. Da ist kein junger Wilder am Werk, sondern man bekommt Teilergebnisse jahrzehntelanger Spielerfahrung präsentiert. Wer genau hinhört, kann dabei viel lernen und auch beim zehnten Hören noch überraschende Details entdecken. Zumal Di Meola einen Ruf zu verteidigen hat: Es gibt kaum Gitarristen, die wie er ohne Prahlerei so wieselflink (und dabei so sauber) spielen, dass man ihm als Zuhörer kaum folgen kann. Sven Sorgenfrey (10.4.2011)

Label: Telarc

Steve Coleman: Harvesting Semblances and Affinities

SteveColemanHarvestingMan kann Steve Coleman nicht vorwerfen, er schmisse sich mit plattem Kuscheljazz an sein Publikum ran. Der Saxofonist, Komponist und Bandleader will mit diesem Konzeptalbum zeitliche Eindrücke musikalisch umsetzen. Mit seiner legendären Band „Five Elements“ knüpft er komplexe Bedeutungs- und Klanggewebe, schafft stetig changierende puzzleartige Strukturen in Melodik, Harmonik, Rhythmus und Aufbau. Die Sängerin Jen Shyu dient dabei als emotional anrührende Verdauungshilfe der durchaus kühl-intellektuellen und sperrigen Musik. Shyu agiert dabei genauso uneitel und ensembledienlich wie die renommierten Mitmusiker. Trotzdem muss man genau hinhören, damit sich die Qualitäten der Songs erschließen. Spätestens jedoch nach dem dritten Durchlauf macht dieses Album süchtig. Sven Sorgenfrey (29.8.2010)

Label: PI Recordings/Alive