Der Titel der CD lenkt auf das richtige Gleis: De Produndis – lateinisch „aus der Tiefe“ – führt weg vom Alltag, tief in Abgründiges, in traurige Sphären, verbreitet Melancholie. Und ist doch kein schluchzendes Schmerz-Album einer Jazz-Elfe. Vielmehr klingen aus den Songs eindringlich und intensiv, sehnsuchtsvoll Natalia Mateo: De Profundis weiterlesen
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Annie Lennox: Nostalgia
Unverkennbar – das ist sie! Auch wenn der erste Titel sich erstmal aus leisem Tongemurmel empordrängeln muss. Wenn Annie Lennox‘ Stimme dann erklingt, ist nach wenigen Takten klar: Sie ist wieder da, einzigartig wie immer. Nach ihrem Weihnachtsalbum vor vier Jahren setzt sie nun auf das „Great American Songbook“, belebt Jazz und Blues der 30er und 40er. Annie Lennox: Nostalgia weiterlesen
Till Brönner – The Movie Album
Momente, Szenen, Bewegendes einfangen – das will Till Brönner mit seiner neuen Veröffentlichung wieder einmal. Diesmal geht es darum, was rings um Film-Hits aller Couleur in Erinnerung bleibt – bei jedem mit einem sehr eigenen Bild. Brönner geht es etwas leichter an als andere – geschmeidiger, ruhiger, auf keinen Fall aber weniger Till Brönner – The Movie Album weiterlesen
Joe Lovano/Us Five: Cross Culture
Vermutlich könnte der Mann auch den abgenudelsten Schlager anstimmen und würde dem Stück doch noch ein, nämlich sein ganz eigenes Leben einblasen. Wir erinnern uns, dass Joe Lovano vor gut einem Jahrzehnt einmal ein Album mit Stücken von Enrico Caruso aufnahm und am Ende sein Tenorsaxophon den Populär-Klassikern einen fast schon magischen Ausdruck verpasst hatte. Diesmal bewegt sich der 60-Jährige zwar mit „Cross Culture“ in den traditionellen Sphären des Jazz – und Joe Lovano/Us Five: Cross Culture weiterlesen
Marc Perrenoud Trio: Two Lost Churches
Die drei jungen Schweizer mögen Gegensätze, Überraschungen, Entlegenes. Sie beherrschen die große Geste ebenso wie subtile Andeutungen. Präludierend, mit raumgreifenden Akkordbrechungen beginnt das Album, wechselt in swingenden Barjazz, haut stadionrockmäßig gewaltig auf die Tonne, um nach einer Vollbremsumg in Zeitlupe subtilste Melodie- und Harmonieverschiebungen auszuprobieren. Diese Musik ist ohne Bombastrocker wie Led Zeppelin oder Queen ebenso undenkbar wie ohne Oscar Peterson, Beethoven oder Bach. Dabei sind der Klang und die Herangehensweise des Trios alles andere als beliebig. Man höre und bestaune wie die Drei sich etwa „Autumn Leaves“ aneignen, wie sie den reichlich abgenudelten Joseph-Kosma-Song in etwas ganz und gar Unerhörtes verwandeln.
Sven Sorgenfrey (2.1.2012)
Marc Perrenoud Trio beim Schaffhausener Jazz Festival 2012 (Video)
Branford Marsalis & Joe Calderazzo: Songs Of Mirth And Melancholy
Ausgerechnet beim Promigolfen beschlossen Saxofonist Branford Marsalis und Joey Calderazzo, Kenny Kirklands Nachfolger in Marsalis' Quartet, es auch als Duo zu versuchen. Herausgekommen ist dabei eine Art Panoptikum disparater Kabinettstücke. Erst gibt Pianist Calderazzo die Ragtime-Maschine – „and now for something completely different“: Die beiden ergehen sich in einer klassisch-romantischen Walzerballade. Blende. Close-up auf ein sperrig-minimalistisches Kompositionsexerzizium. Cut! Hier ist mal ein auf Postbop gefönter Barjazz mit kontrapunktischen Einsprengseln. Und huch! fällt das Bahms-Lied „Die Trauernde“ vom Himmel. Bei allem Spaß an Perfektion: Man hat den Eindruck, die beiden könnten fast alles, müssten aber aus innerem Drang gar nichts, und so bleibt die Musik steril. Sven Sorgenfrey (24.7.2011)
Tineke Postma: The Dawn of Light
Ein phänomenales Album! Diese junge Saxophonistin legt einen musikalischen Reifegrad, eine Komplettheit an den Tag, den man sonst nur bei den ganz großen Alten findet. Mit ungeschminketem, nackten Ton, großer Farbpalette, kluger Melodik, originellen (Eigen-) Kompositionen, ausgeschlafener Dramaturgie spielt sie jederzeit echt, direkt, ungekünzelt. Ihr Spiel ist frei, und es entsteht dabei fast immer etwas Neues, Fertiges – anders als bei anderen wird man bei ihr nicht Ohrenzeuge einer mühsamen und quälenden Suche. Und was für eine Band! Sie spielen wie aus einem Guss, auch bei den vertracktesten Passagen, ihr Spiel franst nicht aus, sondern bleibt kompakt und konzentriert. Der Gastauftritt von Grammygewinnerin Esperanza Spalding verleiht dem Quartett zusätzlichen Glamour. Sven Sorgenfrey (3.4.2011)
Label: Challenge
Toots Thielemans: European Quartet Live
Er hat die Mundharmonika vom Klischee des Kinderspielzeugs und der Bluessirene, aber auch vom Stigma des Matrosenidylls befreit – und zu einem ernst zu nehmenden Instrument gemacht. Zumindest, wenn er sie selbst spielt. Es gibt heute so gut wie keinen Jazzmundharmonikaspieler, der sich nicht auf ihn beruft. Er hat mit den Gründerfiguren des Jazz gearbeitet, und was er macht, ist ganz die alte Schule: Mit klarem Ton und großer Spielfreude zelebriert er die Stücke, inszeniert aus den Gershwin-Klassikern „I Loves You Porgy“ und „Summertime“ ein spannendes Hörspiel. Wer je erlebt hat, wie Betty Carter „My Favourite Things“ dramatisierte, weiß, was ich meine. Mit dieser Eleganz und Präsenz geht das nur live. Großen Anteil an der Dynamik des Konzerts hat der kongeniale Schlagzeuger Hans van Oosterhout. Sven Sorgenfrey (5.12.2010)
Label: Challenge
Meeting Point: Quintessence
Manchmal drängt sich der Eindruck auf, dass jeder, der als innovativ gelten möchte, harmonische Anleihen in der Mongolei macht, melodische Inspiration beim Klezmer sucht, während er, kontrapunktisch tief in der Renaissance verwurzelt, zu hämmernden Technobeats nach korsischem Liedgut auf einer elektronisch verfremdeten Okarina improvisiert. Meeting Point verweigern sich derlei Eskapismus. Das Quintett spielt erfrischend geradlinigen traditionellen Jazz – mit der gebotenen Ernsthaftigkeit, aber leicht, mit virtuosen Improvisationen, aber uneitel, intellektuell anspruchsvoll, aber emotional dicht. Das erinnert gelegentlich an das Zusammenspiel von Wayne Shorter, Freddie Hubbard und Cedar Walton. Und wenn man ganz genau hinhört, erkennt man die russischen Wurzeln des Pianisten. Sven Sorgenfrey (23.11.2009)
Label: Challenge
Roy Hargrove Big Band
Der Mann hat Nerven! In einer Zeit, in der Jazzkonzerte immer seltener und dann gerne mal von Trios oder singenden Bassistinnen bestritten werden, damit die Vortragenden noch auf ihre Kosten kommen, in so einer Zeit tritt Roy Hargrove mit einer 19-köpfigen Big Band an. Mit Standards und neuen Songs zeigt er, wozu ein wohlsortierter Haufen Blech imstande ist: klotzige Akkordblöcke, jäh anschwellende Klänge, rumpelnde groovige Ostinati und darüber präzise hingetupftes, dräuendes Heulen und blitzehelle Fanfaren, plötzliche Breaks und Wechsel ins Kammermusikalische. Hargrove zitiert sich als Bandleader unbeschwert durch seine Vorbilder und erweist seinem Förderer, Wynton Marsalis, nicht zuletzt damit seine Reverenz, dass er sich als Solist bescheiden im Hintergrund hält. Sven Sorgenfrey (18.8.2009)
Label: Emarcy/Universal
Groovin‘ High: Live With Randy Brecker
Alles, was August-Wilhelm Scheer anpackt, tut er mit dem Ehrgeiz, in der ersten Liga zu spielen: als Gründerchef von IDS Scheer, als Professor für Wirtschaftsinformatik, als Bitkom-Präsident – und als Baritonsaxofonist. Deshalb spielt der Hobbyjazzer nur mit Profis, so auch bei Groovin' High, sozusagen der Hausband von IDS. Bandleader ist der Schlagzeuger Oliver Strauch und Zugpferd der Flügelhornist Randy Brecker. Die ungeheure Anspannung des Laien unter Profis ist Scheers Soli jedoch kaum anzumerken. Verstärkt durch Bass, Piano und Tenorsaxofon spielen sie einen wunderbar groovenden und geradlinigen Postbop – einige wenige Eigenkompositionen und das Real Book rauf und runter. Vielleicht überlässt Scheer IDS jetzt anderen, um noch intensiver an seinen Soli feilen zu können. Sven Sorgenfrey (20.7.2009)
Label: Soulfood
Bart Wirtz Quartet: Prologue
Der niederländische Altsaxofonist Bart Wirtz strebt mit diesem Album heraus aus dem europäischen Reservat der improvisierten Musik. Seine Kompositionen sind eigenwillig, seine Melodien oft lakonisch. Seine Improvisationen loten das musikalische Material gründlich aus, geraten dabei aber nie langatmig, selbstverliebt-verknöselt oder elegisch-glatt. Im Gegenteil: Fest im Hardbop verwurzelt und offen für andere Einflüsse und Spielarten des Jazz fleddert er nach Lust und Laune den Pantheon seiner musikalischen Vorbilder. Statt aber in Verehrung zu verharren, bedient er sich souverän ihres Vokabulars, persifliert sie, ohne sie bloßzustellen, und entwickelt so lustvoll einen ganz persönlichen und unverwechselbaren Stil. Es ist gleichermaßen genuss- und lehrreich, ihm dabei zuzuhören. Sven Sorgenfrey (28.6.2009)
Label: Challenge