Also – ich mag Sänger, die zwischen Blues, Soul und Jazz oszillieren. Und Jeff Cascaro ist so einer. Der Mann aus Bochum, der mittlerweile Professor in Weimar ist, versprüht vor dem Mikrophon kein akademisches Theoriebewusstein, sondern weiß fast immer intuitiv wo es musikalisch langgeht.
Das beweist er auch auf seinem gerade erschienenen fünften Longplayer „Love & Blues in the City“. Schon beim Opener, dem Willie-Dixon-Klassiker „My Babe“, lässt Cascaro keine Zweifel aufkommen. Er haut diesen Blues-Evergreen so routiniert raus, als ob er die gefühlten zwei Millionen Coverversionen die dieser Song schon hinter sich hat, alle mitverarbeitet hätte. Auch bei dem wesentlich komplexeren „Ode To Billy Joe“ von Bobby Gentry profitiert der 49-jährige Multi-Instrumentalist, der auch Trompete und Flügelhorn beherrscht, von seinem natürlichen Gespür für Phrasierungen.
Sein Multitalent hat Casscaro, der mit 18 den Bundeswettbewerb „Jugend jazzt“ gewann, schon häufig unter Beweis gestellt. So spielte er nicht nur mit gestandenen Jazz-Größen wie Klaus Doldinger, Till Brönner, Herb Geller oder Horst Jankowski zusammen sondern auch mit Popstars von Ute Lemper bis Georgie Fame aber auch mit Rappern wie den Fantastischen Vier oder Rockern von den Guano Apes bis zu den H-Blockx. Was ihn sympathisch macht: Bei aller Professionalität scheint er genügend Abstand zum eigenen Status und der Musikszene zu haben. So erklärte er in einem Interview: „Ich bin Sänger. Ein Musiker-Sänger. ‚Künstler‘ ist immer so eine Sache“.
Der „Inner City Blues“ von Marvin Gaye lässt dann ahnen, dass der in vielerlei Hinsicht perfekte Musiker auch Schwachstellen hat. Cascaros Interpretation ist zwar solide (das Arrangement und das Piano sind sogar exzellent) aber bei der Transformation der Gayeschen hohen Töne zeigt sich Optimierungsbedarf. Ein dahin gejodeltes Uhuhuhu ist mit Sicherheit nicht die Ultima Ratio.
Über die restlichen Klassiker von „A Taste Of Honey“ bis zum „Stormy Monday Blues“ singt sich Cascaro mit beachtlicher Einfühlsamkeit. Dabei profitiert er auch von den erstklassigen Harmonie-Strukturen, die ihm die Arrangeure Christian von Kaphengst und Jörg Achim Keller maßgeschneidert haben. Bei „Stormy Monday“ zeigen erneute Jodel-Uhuhus und ähnliche Mätzchen, dass Cascaro nicht auf alle Standardfragen eine überzeugende Antwort hat. Aber – das sind nur Mäusekegel auf einem seeeeehr gelungenen Album.
Die letzten drei Songs sind Cascaro-Eigenkompositionen. Sie klingen gut – enthalten aber kaum eigenes Profil. Vom Höreindruck könnten diese Titel Standards aus dem Real Book sein: nur halt weniger originell! Das gilt ausdrücklich nicht für „I love you Baby“, das auch durch das Duett mit der Sängerin „Fola Dada“ (trotz deutlicher Anklänge an Charly Puth‘ „Marvin Gaye“) herausragend ist.
Willy Theobald
Foto: Jim Rakete/PR (Aufmacher); Moritz Vahlenkamp/PR (Einklinker)
Label: Herzog; Vertrieb: Soulfood / Believe Digital
Video
Album-Trailer
Jeff Cascaro auf der „Jazz Baltica“