Hudson: Larry Grenadier, Jack DeJohnette, John Scofield, John Medeski © Nick Suttle / PR

Hudson (Jack DeJohnette, Larry Grenadier, John Medeski, John Scofield): Hudson

Unter dem Bandnamen „Hudson“ haben sich mit Jack DeJohnette, Larry Grenadier, John Medeski und John Scofield vier großmächtige Jazzmusker zusammengetan, die gern und oft andere Genres in ihr Spielt gemischt haben und in derselben Gegend leben: im Hudson-Tal.
Dieser Landstrich spielte schon eine zentrale Rolle im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Später wurde er der bevorzugte Zufluchtsort vieler, die befürchteten, vom nur ein paar Autostunden entfernten Moloch New York City verschluckt zu werden – und nicht zuletzt liegt hier Woodstock, der berüchtigte Urschlamm der Hippies. Das Hudson River Valley ist also gleichermaßen Bestandteil des Gründungsmythos der USA und der Woodstock-Generation – und bis heute sollen hier im Verhältnis zur Einwohnerzahl mehr Künstler leben als irgendwo sonst in den Vereinigten Staaten.
So atmet dieses Album denn auch die Gelassenheit einer einzigartigen Landschaft mit einem breiten, ewig-fließenden Strom. Behutsam hebt der Opener „Hudson“ an und offenbart mit den ersten Tönen, wie dieses Quartett funktioniert: Sie hören einander zu, ergänzen, nehmen auf, halten im Fluss, spornen an, gleichen aus, verstärken – immer mit dem Ziel, das Stück besser zu machen. Gruppendynamik statt Showdown. Man muss sehr lange einem Fluss gelauscht haben, um solche Musik machen zu können.
Mit dem tiefenentspannt aber pointiert vorgetragenen „El Swing“ (vom 2011er Album „Miles Español“) besänftigt das Quartett Jazzpuristen und verneigt sich vor dem Übervater Miles Davis.
Joni Mitchell’s Folkhymne „Woodstock“ nähert sich Scofield mit beeindruckend fragiler Artikulation. Den Ton, die verhangene Stimmung, die ambivalente Haltung zwischen hochfliegenden Träumen und Selbstzweifeln sollen die Hudsoneers im ersten Anlauf so gut getroffen haben, dass es diese Version direkt aufs Album geschafft hat.
In Robbie Robertson’s „Up On Cripple Creek“ (erstmals mit The Band 1969 im Hudson River Valley aufgenommen) haben Hudson ihre nostalgische Wohlfühlzone erreicht: Sie versetzen es lustvoll mit mächtig angeschrägtem Ragtime.
„Es ist sehr schwer, die Balance zu finden: einerseits Jazz zu spielen und andererseits den Rock-, Funk- oder Folksongs treu zu bleiben. Das ist heikles, gefährliches Unterfangen“, mahnt John Medeski. Er erinnert damit an das mit zwei Grammys gepriesene Album „Country“ von John Scofiled, das diese Balance gerade nicht sucht.
Absolut hörenswert ist, wie der Band dieses „gefährliche Unterfangen“ in „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“ des Literaturnobelpreisträgers Bob Dylan gelingt – einer der Glanzpunkte aus dessen Phase als Protestliedermacher. Und spätestens hier wird klar, dass „Hudson“ auch eine politische Dimension innewohnt, steht doch das Hudson River Valley für vieles, was der Trotzkind-Präsident geifernd attackiert.
Und so schließt das Album denn auch mit einem spirituellen Gesang DeJohnettes: Im Stile seiner uramerikanischen Vorfahren gehalten und nur von einer Handtrommel und Holzflöten begleitet, verleiht die Band damit ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die Menschen friedlich zusammenleben – denn, so DeJohnette, „wenn wir das nicht tun, stoßen wir die Spezies und den Planeten ins Verderben“.
Sven Sorgenfrey

Foto: Nick Suttle/PR
Label: Motema – Vertrieb PIAS UK (Rough Trade)

Hörproben

Alle Titel der CD sind auf YouTube hier gebündelt.

Video

Trailer mit „Great Spirit Peace Chant“