Da ist am Anfang dieses Publikumsgeräusch. Der besteht nicht aus höflichem Klatschen und zwei, drei Pfiffen in staubtrockener Akustik – wie man das eben von Jazzkonzerten kennt, zu denen sich die Musiker und nur unwesentlich mehr Zuhörer versammeln. Nein, es ist ein Publikumsjubel wie bei einem Rockkonzert. Es sind also eine Menge Fans und offenbar nicht die klassischen Jazzliebhaber, die mit Ende 60, als vollbärtige Oberstudienräte breitrippcordbehost und pullundert von msmw: In Case The World Changes Its Mind (live) weiterlesen
Schlagwort-Archive: Guitar
Dani Wilde: Juice Me Up
Aufdrehen. Lostanzen. Das ist nicht für alle Bluesalben typisch. Bei Dani Wildes drittem Solowerk bietet sich aber Bewegung an. Vom ersten Moment fährt einem der Schwung in die Füße, die unverkennbare Stimme ins Ohr. Ein knappes Dutzend Eigenkompositionen plus zwei Coverversionen hat die junge Musikerin eingespielt – und ihre Fans mit einem quietschbunten Cover irritiert. Kraft gepaart mit perlendem Esprit, jede Menge Verve und Unbekümmertheit, dazu ein Spritzer Soul Dani Wilde: Juice Me Up weiterlesen
Rez Abbasi’s Invocation: Suno Suno
Der pakistanische Gitarrist Rez Abbasi geht mit diesem Album zu seinen Wurzeln zurück.
Dabei schöpft er aus der pakistanisch-indischen Qawwali-Musik, mixt Blues und Gospel dazu, ziseliert mit feinem Gespür Jazziges hinein. Vermeintlich Traditionelles geht subtil in Modernes über – fein verwoben, spielerisch, energiegeladen, vibrierend. Abbasis Kompositionen kommen vor allem auch durch seine brillanten Mitstreiter zur Geltung, darunter Rudresh Mahanthappa (Altsaxofon) und Johannes Weidenmüller (Bass). Sie machen nachvollziehbar, was Qawwali auch ist: spirituelle Musik, mit der sich islamische Sufis in Ekstase versetzen. Das prägt dieses aufregende, geheimnisvolle musikalische Jazzabenteuer. Suno ist in Urdu übrigens die Aufforderung zuzuhören: Hier lohnt es sich auf jeden Fall. Deshalb: Suno Suno!
Sabine Meinert (15.1.2012)
Label: Enja
Track „Nusrat“ (Youtube)
John Scofield: A Moment’s Peace
15 Jahre nach dem unverstärkt eingespielten Album „Quiet“ legt der Apologet des „Loud Jazz“ wieder ein Werk mit eher besinnlichen Stücken vor. Statt eines Bläserensembles wählt er diesmal seine Stromgitarre und die klassische Quartettbesetzung mit Larry Goldings an Klavier und Schweineorgel. Neben fünf eigenen Stücken macht sich Sco an Evergreens wie „I Loves You Porgy“ oder „I Will“ von den Beatles. Das ist nicht ganz ohne Risiko, denn es gilt, den sattsam bekannten Stücken neues Leben einzuhauchen. Das aber gelingt dem Meister durchweg bravourös. In „I Want to Talk about You“ präsentiert er die Essenz seiner Improvisationskunst, „Gee, Baby, Ain’t I Good to You“ kredenzt er als Destillat des bluesigen Jazz – näher hat er sich kaum je öffentlich an sein Idol B.B. King herangerobbt. Sven Sorgenfrey (22.5.2011)
Label: Emarcy/Universal
Weitere CD-Tipps zu John Scofield:
John Scofield: 54
John Scofield: Piety Street
Popa Chubby: Back to New York City
Ein Mann wie eine Dampfwalze! Filigrane Zwischentöne sind seine Sache nicht. Mit seiner Stromgitarre, die so aussieht, als hätte Popa Chubby mit ihr schon manchen Dinosaurier erschlagen, brät er entschlossen alles an die Wand, was sonst noch in Sachen Bluesrock unterwegs ist. Das Vokabular des klassischen Blues beherrscht er ebenso souverän wie das martialische Werkzeug des Heavy-Metal-Gitarristen. Denn der Mann aus der Bronx legt gern eine Gangart härter ein – die Nummern heißen dann „Warrior God“ oder ähnlich und hören sich auch genau so an. Mögen sich die Bewahrer der reinen Lehre auch bekreuzigen – wenn Chubby Balladen zelebriert, dann kommt das so testosterongeladen-sentimental rüber, dass selbst die härtesten Jungs hemmungslos in ihre Lederkutten heulen. Sven Sorgenfrey (25.9.2011)
Label: Mascot/Rough Trade
Al Di Meola: Pursuit of Radical Rhapsody
Nach längerer Pause kommt der Großmeister der schnellen Konzertgitarre mit einem Album um die Ecke, das deutlich komplexer gestrickt ist als alles, was man zuvor von ihm gehört hat. Mit seiner „World Sinfonia“-Band mischt er dank großer Leichtigkeit, Finesse und ungeheurem Spielspaß ein breites Spektrum unterschiedlicher Weltmusikstile mit den besseren Teilen von Fusion-Jazz. Da ist kein junger Wilder am Werk, sondern man bekommt Teilergebnisse jahrzehntelanger Spielerfahrung präsentiert. Wer genau hinhört, kann dabei viel lernen und auch beim zehnten Hören noch überraschende Details entdecken. Zumal Di Meola einen Ruf zu verteidigen hat: Es gibt kaum Gitarristen, die wie er ohne Prahlerei so wieselflink (und dabei so sauber) spielen, dass man ihm als Zuhörer kaum folgen kann. Sven Sorgenfrey (10.4.2011)
Label: Telarc
Kevin Eubanks: Zen Food
Es ist beileibe nicht leicht, seinen Lebensunterhalt mit Jazz zu verdienen. Kevin Eubanks spielte 18 lange Jahre als Gitarrist in der Kapelle von Jay Lenos „Late Show“, nach Branford Marsalis‘ Weggang leitete er die Band – und wurde als Sidekick der Show populär. Vergangenes Jahr verließ er diese Tretmühle, um sich wieder ganz seiner Musik widmen zu können. Sein erstes Album in wiedergewonnener Freiheit knüpft an seine alten Qualitäten an: Technisch makellos, leicht, funky spielt er scheinbar schwerelos selbst vertrackteste Passagen, ja, es scheint, es bringe ihm umso mehr Spaß und er werde umso entspannter, je kniffeliger die Musik wird. Dabei ist sie immer ungeheuer frisch und fröhlich, für machen vielleicht etwas zu brillant und makellos – ein wenig mehr Tiefgang wäre auch ganz schön. Sven Sorgenfrey (20.3.2011)
Label: Mack Avenue
Marc Ribot: Silent Movies
Wer bei diesem Album den atonalen, hochvirtuosen Experimentalimprovisationszauberer erwartet, wird überrascht. Ausnahmemusiker Marc Ribot besinnt sich hier auf seine Wurzeln als klassischer Gitarrist mit Stücken, die Filmmusik sind oder sein könnten. Diese konzeptionelle Klammer gibt praktisch ein konzentriertes Hören mit geschlossenen Augen vor: Jeder kann zu Ribots magisch-suggestiver Musik im Filmfundus der Erinnerung stöbern oder sich eigene Szenen ausdenken. Es sind ruhige Stücke, die ohne Brüche und Stimmungswechsel auskommen, meditative Kammermusik, deren Duktus auch etwas Bekenntnishaftes hat. Bei aller technischen Finesse verzichtet Ribot auf jedwede solistische Grandezza. Ein herbstliches Album, nicht fürs große Publikum, sondern für die stille Kemenate. Sven Sorgenfrey (14.11.2010)
Label: PI Recordings
John Scofield: 54
Der orthodoxe Jazzkenner ist ja gern äußerst skeptisch, wenn es um große Besetzungen geht. Die Musiker selbst freuen sich meist, wenn sie mal mit mehr als vier Leuten auf der Bühne stehen dürfen. So auch John Scofield, der schon auf seinem Album „Quiet“ mit Bläsersätzen experimentierte. Mit dem Metropole Orchestra, arrangiert von Vince Mendoza, wagt Scofield den Sprung in symphonische Sphären. Seine Kompositionen halten orchestralen Wohlklang aus, behalten ihren charakteristischen Witz und gewinnen durch Mendozas Arrangements sogar noch eine Dimension hinzu. Droht das Orchester ins Happy-End-Filmmusikhafte abzugleiten, bricht Mendoza ab und lässt Scofield – mal vergrübelt, mal verspielt, mal virtuos aber immer in feinster Spiellaune – die Grenzen des Themas ausloten. Sven Sorgenfrey (13.6.2010)
Label: Emarcy
John Abercrombie Quartet: Wait Till You See Her
Während andere Jazzmusiker mit den unterschiedlichsten Besetzungen, Stilen und äußeren Einflüssen experimentieren, bleibt John Abercrombie seiner Spielweise treu. Seit zehn Jahren steht das Quartett mit Mark Feldmann an der Violine und Joey Baron im Zentrum seiner Arbeit. Und das zahlt sich aus: In unfehlbarem Verständnis untereinander kultiviert das Quartett ein ungeheuer dichtes kammermusikalisches Ensemblespiel und freie Improvisationen, die in all ihrer Vertracktheit leicht und eingängig wirken. Kaum jemand spielt so sauber Gitarre wie Abercrombie, dessen Soli souverän auf jede Virtuositätshuberei verzichten. Mit ihrer nachdenklichen Stimmung und dem kristallklaren, warmen Gitarrenklang spendet diese Musik Trost – nicht nur an verregneten Herbsttagen. Sven Sorgenfrey (5.10.2009)
Label: ECM
John Scofield: Piety Street
Schluss mit lustig! Jetzt geht es ums Seelenheil. Wer je eines seiner Solointros gehört hat, weiß, wie tief John Scofields Musik im Blues verwurzelt ist. Um nicht ganz in die schon fast gerontophile Liga von Eric Clapton abzurutschen, behilft sich Scofield mit Gospel, dem dicken Nennonkel des Blues. Dazu hat er sich selbst bei einer New-Orleans-Band eingeladen, mit der er Gospelklassiker und zwei eigene Stücke spielt. Die Soli verraten schon im Sound seine Verehrung für B. B. King. Aus seinen Uberfunk-Zeiten hat sich ein Hang zu funkigen Grooves erhalten. Das passt überraschend gut zusammen, macht gute Laune und Lust auf live. Nach dem Dixie-Country-Stück "I'll Fly Away" bleiben Sco für das nächste Album aber nur zwei Alternativen: die Steelguitar oder das Mikrofon. "Halleluja!" Sven Sorgenfrey (23.3.2009)
Label: Emarcy/Universal