Eigentlich sollte es ein Gottesdienst werden. Doch St. Katharinen in Hamburg ist auch ein toller Konzertraum. Und Anlass sowie Muße für ein Quentchen besondere Musik gibt es eigentlich immer. Deshalb irritiert es die sonntäglichen Kirchgänger nicht, wenn da auf einmal Tornado Rosenberg mit drei Freunden Swing Jazz spielt – leicht und fröhlich, beruhigend oder zum Tanzen einladend. Der Anlass Anfang Mai drückte jedoch aufs Herz: 8. Mai, Tag der Befreiung von einer Diktatur, die viele Sinti und Roma in den Tod schickte. Tornado selbst stammt aus einer Musikerfamilie, lernte mit fünf Gitarre spielen. Sein Vater war angesehener Musiker und Komponist, entkam den Nazis aber nicht.
Das alles ist dem fast Siebzigjährigen aber fern, wenn er mit seinen Freunden auf der Gitarre spielt. In St. Katharinen holte die Sonne in den hohen Kirchenraum – und plötzlich waren die Besucher des Gottesdienstes auf dem Weg zur Gedenkstätte für die von den Nazis Deportierten am Hannoverschen Bahnhof, heute in der Hafencity gelegen. Auch aus Tornados Familie stehen zahlreiche Namen in den Opferlisten. Ihrer will der Musiker nicht nur musikalisch, sondern in Kürze auch mit einer schriftlichen Erinnerung gedenken (Buch ab Juni 2018). Die Sonne brennt, doch fast alle gehen den Weg, der für viele in den Vierzigerjahren ein Weg ohne Wiederkehr war. Tiefrote Frühlingsblumen sollen an ihren Schmerz erinnern. In den Herzen der heutigen Besucher aber schwang noch Tornados Musik – offen, frei und lebendig. Das gefiel auch dem Musiker.
Keine halbe Stunde später spielte Tornado Rosenberg auf dem Stadtteilfest im nahen Baakenhafen der Hafencity. Ein ökumenischer Gottesdienst zur Einweihung der neuen Areale ringsum war der Auftakt. Stimmung und Stil erinnerten an ein Sommerkonzert – genau richtig für Tornados Musik. Auf der kleinen Freilicht-Bühne, den Zuschauer-Treppen und den Wiesen ringsum hinterließ sein Swing Jazz daher in Kürze ein Spur der herzlichen, beseelten Fröhlichkeit. Ein tolles Intermezzo für alle!
Bedenkt man, dass Tornado Rosenberg bereits mit sieben Jahren auf Tournee ging, die Schrecken des Krieges und der Verfolgung überlebte, können wir uns glücklich schätzen, dass er auch heute noch Kraft und Muße hat, auf die Bühne zu gehen. Er musiziert mit ganzem Herzen – und berührt.