Hebt der Fusion-Jazz erneut sein schmutziges Haupt? Versucht er sich sogar mit Freejazz-Versatzstücken in unsere durch aktuelle Popproduktionen stark in Mitleidenschaft gezogenen Gehörgänge zu fräsen? Oder will schon wieder ein unter Geldmangel leidender Musikhalodri in den angeblich siebten Himmel des zeitlos schlechten Jazz aufsteigen? Nein – das neue Album des Bassisten Dave Holland ist bestenfalls Cloud Nine – macht aber keinesfalls süchtig.
Klar – Holland ist eine Jazzlegende: Nicht zuletzt durch seine treibenden Läufe auf Miles Davis wichtigstem Jazzrock-Album „Bitches Brew“. Auch der Gitarrist Kevin Eubanks hat seine Meriten. Und die sind nicht unbedingt in seiner Tätigkeit als Bandleader bei Jay Lenos Late Night Show zu suchen – sondern eher als Sideman des Freebop-Saxophonisten Sam Rivers in den Achtzigern. Doch gerade da wird es anstrengend. So gut dieser nervöse Schluderstil damals zu Rivers passte – auf Eubanks Gitarre hört sich fast alles nach eckigem Gedaddel an.
Neben dem ziemlich interessant klingenden – an den frühen Robert Fripp erinnernden – melodisch angenehm brutal wirkenden Opener „The Watcher“ kommt Titel Nummer zwei („The Empty Chair“) eher verkehrsberuhigt – fast lyrisch – daher. So ein bisschen wie Larry Coryell – aber wesentlich entspannter. Und Titel Nummer drei könnte schon fast eine Schmusenummer sein – wenn auch nur für Widerborstige! Unschön sind lediglich die Passagen in denen man das Gefühl hat, der ansonsten sehr kompetent agierende Pianist Craig Taborn versuche sich an der Quadratur des Quintenzirkels. Track vier klingt mit seinen Hammondassoziationen und Dudelriffs irgendwie nach Kirmes und Tanzboden, versandet aber ähnlich wie der Rest relativ schnell in indifferentem Gitarrengepolter. Doch dann – Überraschung – kommt eine ziemlich straighte Modernjazz-Sequenz.
Aber: Ähnlich beliebig geht es weiter. Das Album entwickelt sich zu einem Sammelsurium von Wundertüten die anfangs sehr unterschiedlich klingen – aber nach spätestens 90 Sekunden den ewig gleichen Inhalt präsentieren. Ähnlich wie bei Fußballbildern bei denen man zum guten Schluss achtmal Michael Ballack hat. Und der ist heutzutage auch schon einmal zu viel!
Mir gefällt am besten „Breathe“ – der ruhig verspielte Schluss des Albums. Hierbei handelt es sich um eine Art Piano-Fingerübung samt gefühlvollen Gitarrentönen, die ganz ohne Free-Fusion-Idiom auskommen. Gott sei Dank hat dabei Oberdudler Eubanks meistens Sendepause, beweist aber, dass er mit dem Lautstärkepedal sogar im leisen Bereich virtuos umgehen kann. Das zeigt, dass die beteiligten Musiker wesentlich mehr drauf haben als das was sie – anscheinend nur um stilistisch eine ganz bestimmte Schublade auszufüllen – abliefern. Schade: Weniger wäre mehr gewesen.
Oft hat man das Gefühl vier ausgefuchste Individualisten versuchen möglichst straight aneinander vorbei zu spielen. An die Qualität der in eine ähnliche Kerbe hauenden Supergroup „Impossible Gentlemen“ („Internationally Recognized Alien“) kommt „Prism“ nie heran.
Und „sorry“ an alle Kritikerkollegen, die das Album in den letzten Wochen in den siebten Rezensionshimmel hochgejazzt haben (Chris Parker schlug „Prism“ sogar als „Album Of The Year“ vor) – ich halte das schlichte, zeitlose Artwork auf dem Cover (auch wenn es bei Pink Floyd abgekupfert ist) noch für den gelungensten Teil der CD.
Label: Okeh/Sony