Vermutlich könnte der Mann auch den abgenudelsten Schlager anstimmen und würde dem Stück doch noch ein, nämlich sein ganz eigenes Leben einblasen. Wir erinnern uns, dass Joe Lovano vor gut einem Jahrzehnt einmal ein Album mit Stücken von Enrico Caruso aufnahm und am Ende sein Tenorsaxophon den Populär-Klassikern einen fast schon magischen Ausdruck verpasst hatte. Diesmal bewegt sich der 60-Jährige zwar mit „Cross Culture“ in den traditionellen Sphären des Jazz – und Joe Lovano/Us Five: Cross Culture weiterlesen
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Daniel Herskedal/Marius Neset: Neck of the Woods
An dieser Stelle ist schon oft von den Entdeckungen geschwärmt worden, die uns der hohe Norden seit zwei Jahrzehnten in staunenswerter Zahl beschert. Und wiederum müssen wir dieses Loblied anstimmen, denn wo außer in Norwegen finden sich ein Tubist und ein Saxofonist zusammen für ein Zwiegespräch von solcher Kraft und zugleich Leichtigkeit? Eben! Dafür verschmelzen Daniel Herskedal und Marius Neset Jazz und Klassik mit diesem unvergleichlichen nordischen Folkloreton. Daniel Herskedal/Marius Neset: Neck of the Woods weiterlesen
Stefan Schmid: Extended
Als Solist hält sich der Saxofonist Stefan Schmid auf diesem Album auffallend zurück. Denn hier spricht der Komponist. Und er bedient selbstbewusst die Königsklasse des Jazz: In seinem Big-Band-Projekt „Extended“ versammelt er zehn junge deutsche Jazztalente zu einem gleichzeitig homogenen und facettenreichen Klangkörper, dem er durch ideenreiche Arrangements immer neue Klangfarben entlockt. Seine Kompositionen sind feinsinnige Inszenierungen von Klangschichten, Stefan Schmid: Extended weiterlesen
Marius Neset: Golden Xplosion!
Ausgerechnet aus Norwegen, dem Land des verträumten Beschaulichkeitsjazz, kommt der neue, junge Evangelist eines radikalen Saxofonismus. Seine komplexen Kompositionen verraten, was der 25-Jährige über Musik alles weiß. Er jongliert souverän mit der vollen Bandbreite des musikalischen Vokabulars: Unverkennbar ist der Einfluss von Maceo Parkers markantem, groovendem Spiel und die von J.S.Bach gelernte Pseudomehrstimmigkeit. Geradezu fantastisch ist Nesets Umgang mit Marius Neset: Golden Xplosion! weiterlesen
Mark Wyand: I’m Old Fashioned
Content/Edel Mit seinem vierten Album schleicht sich der britische Saxofonist Mark Wyand geradezu samtpfotig an seine Hörer heran: Fein, leicht und geschmeidig interpretiert er Jazzklassiker – angereichert mit reichlich Gegenwart und Popeinflüssen. In den ruhigen, fast überirdisch schwebenden Arrangements setzt er Kontrapunkte zum quirligen Alltag im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, wo er seine Inspiration findet. Sängerin Ofri Brin und vier Instrumentalisten fügen sich fast symbiotisch Mark Wyand: I’m Old Fashioned weiterlesen
Branford Marsalis & Joe Calderazzo: Songs Of Mirth And Melancholy
Ausgerechnet beim Promigolfen beschlossen Saxofonist Branford Marsalis und Joey Calderazzo, Kenny Kirklands Nachfolger in Marsalis' Quartet, es auch als Duo zu versuchen. Herausgekommen ist dabei eine Art Panoptikum disparater Kabinettstücke. Erst gibt Pianist Calderazzo die Ragtime-Maschine – „and now for something completely different“: Die beiden ergehen sich in einer klassisch-romantischen Walzerballade. Blende. Close-up auf ein sperrig-minimalistisches Kompositionsexerzizium. Cut! Hier ist mal ein auf Postbop gefönter Barjazz mit kontrapunktischen Einsprengseln. Und huch! fällt das Bahms-Lied „Die Trauernde“ vom Himmel. Bei allem Spaß an Perfektion: Man hat den Eindruck, die beiden könnten fast alles, müssten aber aus innerem Drang gar nichts, und so bleibt die Musik steril. Sven Sorgenfrey (24.7.2011)
Tineke Postma: The Dawn of Light
Ein phänomenales Album! Diese junge Saxophonistin legt einen musikalischen Reifegrad, eine Komplettheit an den Tag, den man sonst nur bei den ganz großen Alten findet. Mit ungeschminketem, nackten Ton, großer Farbpalette, kluger Melodik, originellen (Eigen-) Kompositionen, ausgeschlafener Dramaturgie spielt sie jederzeit echt, direkt, ungekünzelt. Ihr Spiel ist frei, und es entsteht dabei fast immer etwas Neues, Fertiges – anders als bei anderen wird man bei ihr nicht Ohrenzeuge einer mühsamen und quälenden Suche. Und was für eine Band! Sie spielen wie aus einem Guss, auch bei den vertracktesten Passagen, ihr Spiel franst nicht aus, sondern bleibt kompakt und konzentriert. Der Gastauftritt von Grammygewinnerin Esperanza Spalding verleiht dem Quartett zusätzlichen Glamour. Sven Sorgenfrey (3.4.2011)
Label: Challenge
Groovin‘ High: Live With Randy Brecker
Alles, was August-Wilhelm Scheer anpackt, tut er mit dem Ehrgeiz, in der ersten Liga zu spielen: als Gründerchef von IDS Scheer, als Professor für Wirtschaftsinformatik, als Bitkom-Präsident – und als Baritonsaxofonist. Deshalb spielt der Hobbyjazzer nur mit Profis, so auch bei Groovin' High, sozusagen der Hausband von IDS. Bandleader ist der Schlagzeuger Oliver Strauch und Zugpferd der Flügelhornist Randy Brecker. Die ungeheure Anspannung des Laien unter Profis ist Scheers Soli jedoch kaum anzumerken. Verstärkt durch Bass, Piano und Tenorsaxofon spielen sie einen wunderbar groovenden und geradlinigen Postbop – einige wenige Eigenkompositionen und das Real Book rauf und runter. Vielleicht überlässt Scheer IDS jetzt anderen, um noch intensiver an seinen Soli feilen zu können. Sven Sorgenfrey (20.7.2009)
Label: Soulfood
Bart Wirtz Quartet: Prologue
Der niederländische Altsaxofonist Bart Wirtz strebt mit diesem Album heraus aus dem europäischen Reservat der improvisierten Musik. Seine Kompositionen sind eigenwillig, seine Melodien oft lakonisch. Seine Improvisationen loten das musikalische Material gründlich aus, geraten dabei aber nie langatmig, selbstverliebt-verknöselt oder elegisch-glatt. Im Gegenteil: Fest im Hardbop verwurzelt und offen für andere Einflüsse und Spielarten des Jazz fleddert er nach Lust und Laune den Pantheon seiner musikalischen Vorbilder. Statt aber in Verehrung zu verharren, bedient er sich souverän ihres Vokabulars, persifliert sie, ohne sie bloßzustellen, und entwickelt so lustvoll einen ganz persönlichen und unverwechselbaren Stil. Es ist gleichermaßen genuss- und lehrreich, ihm dabei zuzuhören. Sven Sorgenfrey (28.6.2009)
Label: Challenge
Joe Lovano/Us Five: Folk Art
Mit seinen 56 Jahren gilt Tenorsaxophonist Joe Lovano schon als Elder Statesman des Jazz. Und das in erster Linie deshalb, weil er seinen Stil stets innerhalb des Genres weiterentwickelt hat – unangekränkelt von den Versuchungen elektropoppiger Exkursionen. Us Five heißt sein jüngstes Projekt, in dem er sich Inspiration holt von vier jüngeren Musikern: einem Pianisten, einem Bassisten und zwei Schlagzeugern, deren Temperamente sich prima ergänzen. Lovano rückt seinen Eigenkompositionen mit Tenor- und Altsaxophon zu Leibe und bedient sich zudem einer Altklarinette sowie des exotischen Taragots und eines mehrstimmigen Aulochroms. In den Stücken wechselt er gern die Besetzung von Duo bis Quintett und legt eine Spiel- und Experimentierfreude vor, die seine Band ebenso ansteckt wie die Zuhörer. Sven Sorgenfrey (18.5.2009)
Label: Blue Note/EMI