John Scofield: Überjam Deux

Man könnte John Scofields Werk hören als ein Abarbeiten des Themenfelds, das er in seiner Zusammenarbeit mit Miles Davis abgesteckt hat. Diesmal sind dran: funkiger Groove und Reduktion aufs Wesentliche. Wartete das Album „Überjam“ (2002), auf das sich die aktuelle CD ostentativ bezieht, noch mit indischen Exotismen, reicher elektronischer Soundspielerei sowie Bass & Drum Anklängen auf, ist die Nr. 2 sehr reduziert und gradlinig. Und das Album groovt! Vielleicht oute ich mich als Totalhonk – aber egal: Ich fand auch das John Scofield Quartet mit Joe Lovano sehr groovy und tanzbar. Mit seinen Überfunk- und Medeski-Martin-Wood-Projekten hebt Scofield das Thema Groove in eine höhere Dimension und wird auch für jüngere und jazzfremde Hörer wahrnehmbar. Dabei gelingt ihm das Kunststück, dass er das auf allerhöchstem musikalischen Niveau schafft. Nach gut drei Jahrzehnten glaubt man Scos musikalisches Vokabular in- und auswendig zu kennen. Aber Pustekuchen! Er überrascht einen immer aufs Neue.
Und das mit dem für ihn typischen musikalischen Humor (allein schon der Titel der CD und die Namen der Songs Scotown, Boogie Stupid, Dub Dub, Curtis Knew sprechen für sich): Da wird in der Genrekiste gewühlt, zitiert, werden Erwartungen geweckt und enttäuscht, Sco führt in die Irre und wieder zurück, deutet an und lässt einen doch ins Leere laufen. Dann kommen wieder ungerührt Passagen traditioneller Jazzimprovisation, bevor er plötzlich links abbiegt und wieder ganz woanders herauskommt.
Auch wenn man Sco in jedem misikalischen Kontext nach kaum mehr als drei Tönen zweifelsfrei identifizieren kann: Sein Sound ist einem steten Wandel unterworfen. Mal mit größeren Brüchen (z.B. die mit akustischen Gitarren eingespielte CD „Quiet“, 1996), mal subtil. Und mit dem Sound ändert sich seine Spielweise (oder andersherum). In der Kunst der Reduktion, der Modellierung der Töne und in der Phrasierung hat der Übergitarrist Scofield eine Virtuosität erlangt, an die kaum jemand heranreicht – und die ohne jegliche Geschwindigkeitshuberei auskommt.
Sven Sorgenfrey

Label: Emarcy/Universal

John Scofield – Biografie

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