15 Fragen an Anthony Strong

Anthony StrongWovon haben Sie letzte Nacht geträumt?
Anthony Strong: Ich träume nur selten oder besser gesagt: Ich erinnere mich meistens nicht, was ich
geträumt habe. Also kann ich leider nichts dazu sagen. Aber ich habe Höhenangst. Wenn ich als Kind mal einen Albtraum hatte, dann den, endlos in die Tiefe zu fallen. Meistens bin ich dann aufgewacht, wenn ich am Boden aufgeschlagen bin. Nicht die beste Art, seinen Tag zu beginnen!

Welches Konzert/welche Platte hat Sie zum Jazz gebracht?
Es gibt nicht dieses eine Konzert oder diese eine Platte. Aber ich kann ziemlich klar erinnern, dass ich mich ziemlich früh in meinen musikalischen Bemühungen in Bill Evans‘ „Portrait In Jazz“ verliebt habe. Es war eine der ersten Aufnahmen, die ich in der Schulbibliothek hörte, nachdem ich angefangen hatte, Jazz-Klavierstunden zu nehmen. Und ich sagte zu mir. „Eines Tages willst du auch genau so spielen können!“

Wenn Sie eine Zeitreise unternehmen könnten, was wäre Ihr Ziel?
Ich hätte gern in den 50ern oder 60ern gelebt… Ich mag Vintage-Anzüge und Dinge im Art-Deco-Stil. Und natürlich ist die Musik aus dieser Zeit und den Jahren davor genauso großartig. Allerdings wüsste ich nicht, wie ich ohne Twitter leben sollte – irgendwie traurig, oder?

Wer ist Ihr Lieblingskomponist?
Das ist eine schwierige Frage – ich hab so viele Lieblingskomponisten. Ich mag ganz unterschiedliche Musik: von Komponisten der Klassik und Romantik bis hin zu der von modernen Songwritern und Jazzkomponisten. Cole Porter ist ein Komponist, dem ich offenbar nicht entkommen kann. Also, wenn ich mich nur für einen entscheiden müsste, dann wäre er wohl mein Lieblingskomponist. Ansonsten liebe ich all die Komponisten des „Great American Song Book“.

Was macht Sie wütend?
Ich hasse es, wenn einfache Dinge nicht so funktionieren, wie sie sollen. Ich hab da im Internet ein Lernvideo über Produktivität gesehen, und dort haben sie das Problem „kaputte Systeme“ genannt. Ein Beispiel? – Großbritannien ist großartig, aber in Deutschland scheint einfach alles so viel besser zu funktionieren.

Wer ist Ihr musikalisches Vorbild?
Na ja, ich habe Jazz an der Uni studiert, also findet sich viel Jazz in meiner eigenen Musik, aber ich liebe auch Gospel, Soul, Pop und vieles mehr. Meistens probier ich eine Menge und werfe dann, was mir am besten gefällt, in einem großen Topf zusammen: ein paar Jazzharmonien, ein wenig souliger Gesang, dazu einige Pop-Grooves usw. Dabei kommt dann Acoustic Pop Music heraus, aber mit ein paar echt jazzigen Elementen.

Als wer/was möchten Sie wiedergeboren werden?
Wow! Das ist das schwerste Interview, das ich je hatte… Also, ich bin nicht sicher. Reden wir über Tiere? Bären sind der Wahnsinn. Oder Halt: Kann ich sagen „als Frank Sinatra“?

Was ist Jazz?
Uff, das ist wirklich ein schwieriges Interview! Jazz ist eine sehr breit angelegte Kunstform. Jazz kann heute vieles sein. Mann braucht sich nur die iTunes-Jazz-Charts anschauen, da gibt’s eine riesige Palette an großartiger Musik. Ich denke, dass Jazz durch die Herangehensweise an Musik an sich definiert wird. Deshalb ist es schwer, das in wenige Worte zu fassen. Ganz offensichtlich besteht eine große Affinität zu Improvisation. Angefangen hat das schon in den frühen 20ern, mit der Musik der Schwarzen, mit Spirituals, mit amerikanischer Musik. Aber seit den Anfängen gab es so viele Veränderungen und Entwicklungen, daher ist Jazz für mich eher eine Art spezieller Vibe als ein eigenes Genre.

Wobei werden Sie schwach?
Meine Schwäche? Ganz einfach: Kaffee. Ich trinke viel zu viel davon, oftmals zehn Tassen am Tag. Ich weiß, das ist verrückt. Manchmal bestelle ich sogar einen Latte als Vorspeise zum Abendbrot. Meine Band macht schon Witze darüber – weil ich so „rock and roll“ bin. Haha…

Was ist für Sie wichtiger im Jazz: Leidenschaft oder Kontrolle – und warum?
Ich mag Präzision. Ich bin der musikalische Leiter und Arrangeur für meine Band, also schreibe ich alle Parts. Ich weiß genau, was in diesem oder jenem Takt passieren soll, was jedes einzelne Instrument spielen soll – in jedem Song, zu jeder Zeit. Ich liebe einfach die Tatsache, dass ich der Frontmann bin und gleichzeitig Begleitung zur selben Zeit.
Außerdem denke ich, ich konzentriere mich mehr auf Genauigkeit, weil ich das Gefühl habe, Leidenschaft und Energie strömen, wenn ich auf der Bühne stehe – es ist einfach so. Das macht manchmal Plattenaufnahmen so schwer: Man spielt eben nicht in einer Konzerthalle vor einem Publikum und spürt dessen große Energie. Im Gegenteil: Aufnahmen können manchmal eine ganz schön sterile Angelegenheit sein. Aber mit 28, denke ich, habe ich noch viel zu lernen. Und das gehört ja zu den großen Prinzipien des Jazz: einfach weiter lernen. Eines Tages werden Leidenschaft und Energie das einzige sein, an das ich noch denke…!

Der Tod ist…
… ein trauriger Abschied. Aber wir können denen, die gegangen sind, danken für das, was sie uns geschenkt haben.

Welches ist Ihr Lieblingsinstrument, das Sie selbst nicht spielen?
Ich wünschte, ich könnte Kontrabass spielen. Mann, das ist echt ein geiles Instrument. Ich würde es ja als Hobby spielen, aber das ist so ein großes Instrument, man muss unheimlich viel Zeit investieren, um es zu lernen. (Und die Zeit habe ich leider nicht.) Und außerdem ist ein anständiger Kontrabass auch nicht gerade billig!

Üben ist wie …
… Erholung für mich. Mein ganzer Job ist ein großes Vergnügen: die Studio-Aufnahmen, das Proben, die Tours usw. Und glücklicherweise übe ich für mein Leben gern. Wenn ich einen langen „Arbeitstag“ hatte – mit Meetings, Interviews und Verwaltungskram – dann komme ich wieder runter, wenn ich einfach nur am Piano sitze und übe. Ich wünschte fast, ich hätte mehr Zeit dafür. Ehrlich gesagt, sollte ich vielleicht eine Stunde früher aufstehen dafür!

Wenn ich Pop aus den Charts im Radio höre …
… dann gefällt mir manches und manches ist okay. Es ist wirklich mal so, mal so. Ich mag Popsongs und die Popkultur. Ich bin also kein „verbitterter Jazzmusiker“, der die Erfolge der Popcharts nicht fassen kann. Ich denke oft sogar: „Das könnte ich geschrieben haben.“

Was ist die peinlichste Panne, die Ihnen auf der Bühne passiert ist?
Vor ein paar Jahren hatte ich ein paar Auftritte mit Kyle Eastwood. Heutzutage trete ich eigentlich nur noch im Anzug auf, aber für Kyles Show war der Dresscode eher lässig-flippig. Ich trug also aufgerissene Jeans – echt Rock´n Roll.
Dann hatten wir einen Auftritt vor etwa 2000 Leuten in Tschechien, und als ich die Treppe zur Bühne hinaufging, trat ich auf den Saum der Jeans. Ich habe das eine Bein dabei fast bis zum Knie aufgerissen – und es waren vielleicht noch fünf Sekunden bis zum Auftritt. Das war mir unglaublich peinlich. Aber vielleicht haben die Leute es ja für ein Mode-Statement gehalten. Das hoffe ich zumindest bis heute!