Marius Neset: Birds

Marius Neset: BirdsKaum hat sich der norwegische Saxofonator Marius Neset ins Rampenlicht gestellt, schon genügt ihm das klassische Saxofonquartett nicht mehr. Auf seinem neuen Album reicht das Besetzungs-Spektrum vom exotischen Flöten-Saxofon-Percussion-Trio („Spring Dance“) bis zur Big-Band-Besetzung. Gelegentlich werden tontechnische Extravaganzen zu Hilfe genommen (wie etwa Einspielungen von gesprochener Spache in „Boxing“ oder verfremdende Soundeffekte in „Reprise“), die aber immer dramaturgisch begründet, geschmackvoll und dezent eingesetzt werden.
Das streng konzipierte Album ist in weiten Teilen durchkomponiert. Hier organisiert und verdichtet Neset, was im freieren, improvisierten Jazz nur hier und da aufblitzt. Die rastlose Pseudopolyphonie seiner Saxophonintros (von denen sich gern mal wechselnde Fragmente als ostinate Begleitfiguren durch das ganze Stück ziehen), findet seine Fortsetzung in oft strikt durchgezogener Polyphonie. Dabei lässt er uns belauschen und bestaunen was passiert, wenn man Phrasen schräger Metrik und zuweilen unterschiedlicher Länge übereinanderschichtet. Welche Interferenzen, welche neuen Muster ergeben sich dabei? Im Aufbau der Stücke gibt es harte Brüche und subtil gestaltete Übergänge, wahnwitzige, rhythmisch vertrackte Läufe, grandiose Steigerungen.
Dazwischen setzt Neset immer wieder mal Blöcke, in denen er seine improvisatorische Sonderbegabung ausspielen kann. Bei allem Kalkül wirkt die Musik aber nie künstlich oder bemüht, sondern im Gegenteil frisch, organisch und Neset-typisch intensiv, energetisch, explosiv.
Wenn es gerade passt, bedient Neset sich klassischer Topoi (etwa bei lutmalerischen Passagen im Titelstück „Birds“). Es gibt Ansatzpunkte bei serieller Musik und Programmmusik des 19. Jahrhunderts – Harmonik, Phrasierung, Rhythmik bleiben jedoch tief im Jazz verwurzelt. Bisweilen sind sogar Rückgriffe auf die musikalische Tradition seiner Heimat Norwegen hörbar. Hier wird das mitreißend Treibende seiner Musik (Schlagzeuger Anton Eger und Bassist Jasper Høiby machen einen Klassejob) für entspanntere lyrische Passagen unterbrochen – nur um danach mit frischem Elan weiter voranpreschen zu können.
Sven Sorgenfrey

Label: Edition Records

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Video zum Album (Youtube)

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