Zwei Jahre nach seiner grandiosen Adaption von Verdis „Otello“ hat sich Dieter Ilg mit seinem Trio über „Parsifal“ hergemacht, das frömmelnde letzte musikdramatische Werk von Richard Wagner, dessen 200. Geburtstag wir in diesem Jahr kaum entgehen können. Wie nicht anders zu erwarten schöpft Dieter Ilg daraus nicht etwa einen verquasten Bühnenweihfestjazz, sondern er geht die Suche nach dem Heiligen Gral völlig unverkrampft und heiter an. Er befreit Wagners Motive von Schwulst, Pathos, Schwere und romantischem Kitsch, reduziert die der Oper entlehnten Melodien und Harmonien auf ihren nackten Kern. Mit Rainer Böhm (Klavier) und Patrice Heral (Schlagzeug) macht sich Ilg daran, mit dem Material zu spielen – in seiner eigenen musikalischen Sprache. Dabei bewahren die Musiker die Würde der Motive. Ilgs fröhlich-freier Umgang mit Wagners Material hat eine spielerische Leichtigkeit, die in Wagners Partituren nur findert, wer sie außerordentlich gut kennt. Da geht es von den reinen Dreiklängen des Ausgangsmaterials munter in vielerlei Jazzgenres, immer neugierig, stilsicher und uneitel. Bei allem Staunen über das kleine Wunder, das dem Trio hier gelingt, so unterschiedliche Musikstile zu vereinigen: Im Grunde ist Ilgs Umgang mit Wagners Motiven ähnlich wie der von Wagner selbst. Denn aus dem Rohmaterial der Leitmotive entwickelte der seine bombastischen Fantasiewelten, verwob sie bedeutungsvoll miteinander und stellte sie monolithisch in den Raum, wenn die Dramaturgie der Handlung oder der Musik eine Zäsur erfordert. All das findet sich in Ilgs wunderbaren Variationen wieder. Und mit noch etwas überzeugt die CD: mit dem onumentalen Sound von Ilgs Bass. Eine brilliante Tontechnik hat ihn so konserviert, dass man glaubt, ihn aus dem Inneren des Instrumentes zu hören.
Sven Sorgenfrey
Label: ACT
Dieter Ilg: Otello live at Schloss Elmau (CD-Tipp)
Dieter Ilg – Biografie
15 Fragen an … Dieter Ilg
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