Irgendwie denkt man sofort an Portishead oder Massive Attack – aber der Vergleich hinkt. Slowly Rolling Camera passen lediglich in die gleiche Schublade. Doch diese, ebenfalls britische, Formation klingt ganz anders: Eine bislang nie gehörte Allianz aus Kommerz, Können und Kunst. Hier wirkt nichts angestrengt sondern auch in den avantgardistischsten Passagen spielerisch. Falls Musik noch eine Zukunft hat – hier ist sie!!!!
Sanfte Klänge umschmeicheln das Ohr. Anscheinend ein Kontrabass, der einfühlsam gestreichelt wird. Dann setzen Keyboards und der Gesang ein – fügen sich passgenau in das wohltemperierte Arrangement. Ist das zeitgenössische E-Musik? Ein Filmsoundtrack? Trip-Hop mit Soul? Adult Jazz? Oder doch nur Art-School-Pop?
Manchmal („Dream A Life“, „Bridge“ ) fühlt man sich an die Titelmelodie der amerikanischen Kult-TV-Serie „Mad Men“ erinnert, bei den träumerisch fragilen Klängen von „Rain That Falls“ glaubt man perlende Regentropfen an der Fensterscheibe hinunter rinnen zu sehen. „Bridge“ ist höllisch gut – ausgeruht, fast konzertant. Könnte aus Miles Davis‘ Cool-Phase stammen. Oder „Outside“ – ich fasse es nicht: War Freejazz vielleicht doch kein Irrtum der Musikgeschichte?
Chris Montague’s kantige E-Gitarren-Einsätze harmonieren perfekt mit Dionne Bennett’s timbreicher Stimme – werden von Dave Stapletons Fender Rhodes kongenial unterfüttert. Alleine durch die Imaginationskraft lyrisch wirkender Saxophonklänge tauchen Schwarzweißfotos aus dem Paris der fünfziger Jahre vor dem geistigen Auge auf und werden sofort ins Kopfkino projiziert. Tagträume überfluten den Hörer. Döst man, ist man überhaupt noch wach, träumt man?
Überambitioniert wirkt lediglich das (trotzdem noch sehr gute) „Slow Rolling Camera“ in dem zu viele schöne aber auch disparate Elemente durch fast sakral wirkende Uuuuuuhu-Chöre nur notdürftig zusammengebunden werden. Überflüssig klingt „Rolling Clouds“ – ein sinnlos fröhlicher Plastikaufguss aus Sebastian-Bach-Assoziationen, Gitarrengedaddel, Coltrane-Gedenk-Gedudel und Fusion-Gedödel. Aber sogar Popfans werden hervorragend bedient. Mit „Fragile Ground“ beweist die Band nicht nur durch Bennetts Stimme, wie nahe Jazz gutem Pop sein kann.
Jetzt aber Schluss mit den Lobeshymnen: Ehrfurcht! Das müsst Ihr selbst erleben! Alles was man über diese CD schreiben kann, ist nur unvollkommen – lausig …. dilettantisch…. Dieses Album muss man HÖÖÖÖÖÖREN!
Willy Theobald
Label: Edition/Soulfood
Foto: ©PR/Claire Cousin