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Django Deluxe & NDR Bigband: Driving

Django Deluxe ©PR/Niculai Constantinescu

Virtuos-filigraner Sinti-Swing und opulenter Bigband-Sound – ein Widerspruch? Keineswegs! Das Hamburger Trio Django Deluxe gehört zu den führenden Formationen dieser Stilrichtung in Europa. Giovanni Weiss (Sologitarre), Robert Weiss (Rhythmus-Gitarre) und Jeffrey Weiss (Kontrabass) entstammen einer Sinti-Familie, die über Generationen hinweg immer wieder herausragende Musiker hervorgebracht hat.

Schon auf ihrer ersten CD („Wilhelmsburg“, 2012) haben die drei Ausnahmemusiker eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass Grenzüberschreitung für sie zum Programm gehört. Tief verwurzelt in ihrer reichen musikalischen Tradition in der Nachfolge des legendären Gitarristen Django Reinhardt und zugleich aufgeschlossen gegenüber modernen Spielarten des Jazz, erobern sie neues musikalisches Terrain auf höchstem Niveau und erschaffen in der kreativen Auseinandersetzung mit sehr unterschiedlichen Einflüssen ihren eigenen musikalischen Kosmos.

Auch in der Zusammenarbeit mit der NDR-Bigband beweisen die Musiker von Django Deluxe ihre besonderen Qualitäten. Die Kombination von Sinti-Swing und Bigband ist nicht gänzlich neu: Django Reinhardt stand während seiner USA-Tournee im Winter 1946 in spektakulären Konzerten mit dem Duke Ellington Orchestra auf der Bühne, in jüngerer Zeit spielten Meistergitarristen wie Biréli Lagrène und Stochelo Rosenberg mit der Bigband des WDR und dem Jazz Orchestra des Amsterdam Concertgebouw. Allzu oft ging dabei jedoch die klangliche Eigenart des Sinti-Swing verloren, standardisierte Arrangements und ein übermächtiger Bigband-Sound überdeckten die emotionale Direktheit, die Transparenz und die rhythmische Prägnanz, die diese Musik auszeichnen.

Wie es sich vermeiden lässt, in diese Falle zu tappen, zeigt das kongeniale Zusammenspiel von Django Deluxe und der NDR-Bigband. Entscheidend ist der Entstehungsprozess: Zunächst spielten die Musiker von Django Deluxe alle Stücke in eigenen Arrangements ein, dann schrieb Jörg Achim Keller nach dieser Vorgabe die Arrangements für seine Bigband – maßgeschneidert und passgenau bis auf die letzte Sechzehntelnote. Das Ergebnis sind wohldosierte, einfühlsam und klug eingesetzte orchestrale Akzente, die das musikalische Geschehen in entscheidenden Momenten unterstützen und bereichern, niemals aber dominieren.

Zahlreicher als auf der ersten Django Deluxe-CD sind auf „Driving“ – erschienen beim renommierten Jazz-Label MPS – Eigenkompositionen vertreten. Fünf der elf Stücke stammen aus der Feder von Giovanni Weiss. Der 2013 als bester deutscher Jazz-Gitarrist mit dem Echo-Jazz ausgezeichnete Musiker ist ein Mann der unbegrenzten Möglichkeiten. Wie alle großen Virtuosen lässt er das Schwierige verblüffend leicht erscheinen. Spielerische Raffinesse und technische Perfektion stehen dabei immer im Dienst eines subtilen musikalischen Ausdrucks, über den nur wenige Gitarristen verfügen. Einzelne Töne werden so individuell artikuliert, dass sie eine fast gesangliche Qualität annehmen. Emotion unmittelbar in berührende Musik zu verwandeln, die den Hörer direkt anspricht und in ihren Bann zieht – darin liegt eine der größten Stärken von Django Deluxe. Das Fundament dieser eindringlichen Musik ist die Rhythmus-Gitarre von Robert Weiss. Kein anderer Gitarrist dieses Genres – Größen wie Hono Winterstein oder Nous’che Rosenberg eingeschlossen – spielt zugleich so kraftvoll und so elegant wie er. Niemand käme auf den Gedanken, ein Schlagzeug zu vermissen, da das perkussive Spiel von Robert Weiss diese Funktion mit größter Präzision übernimmt. Es spricht für die musikalische Sensibilität des Arrangeurs Jörg Achim Keller, dass der Schlagzeuger Wolfgang Haffner auf „Driving“ eher sparsam zum Einsatz kommt und so der unverkennbare, von Rhythmus-Gitarre und Kontrabass bestimmte Sound von Django Deluxe in jedem Moment den Ton angibt. Eine perfekte Einheit, wie sie nur aus langjährigem intensiven Zusammenspiel entstehen kann, bilden Giovanni und Robert Weiss mit Jeffrey Weiss, einem Kontrabassisten, der durch schnörkellose Prägnanz, traumwandlerische Souveränität und weises Understatement besticht.

Doch damit nicht genug: Django Deluxe und die NDR-Bigband haben eine illustre Schar musikalischer Gäste ins Studio eingeladen, die eigene Kontrapunkte setzen. Stochelo Rosenberg, weltweit verehrter Großmeister der Sinti-Swing-Gitarre, steuert nicht nur rasante Soli zu „China Boy“ und zum Titelstück „Driving“ bei, sondern auch seine mittlerweile klassische Komposition „For Sephora“. Der international begehrte Jazz-Pianist Jermaine Landsberger veredelt die melancholische Ballade „Le Soir“ und den unsterblichen George-Benson-Gassenhauer „Clockwise“. Und dann geben sich gleich zwei Sängerinnen mit sehr unterschiedlichem Stimmtimbre die Ehre: Y’akoto, stilistisch vielseitige Chanteuse mit ghanaischen Wurzeln, singt das lasziv-elegante und unbedingt radiohittaugliche Eröffnungsstück „Stina“, das sie gemeinsam mit Giovanni Weiss geschrieben hat. Die in Paris lebende Soul- und Folksängerin Ayo interpretiert den Ahlert-Turk-Standard „Mean to Me“ sehr lässig und jenseits aller Konvention. Als bewährte Solisten der NDR-Bigband bringen Ingolf Burkhardt (Trompete und Flügelhorn), Lutz Büchner (Klarinette und Tenorsaxophon), Fiete Felsch (Sopransaxophon und Querflöte) und Frank Delle (Baritonsaxophon) zusätzliche Facetten ins Spiel.

Wer in einer CD-Rezension nicht mindestens eine kritische Bemerkung unterbringt, macht sich zweifellos verdächtig. Aber was soll man tun, wenn einfach alles stimmig ist? Am besten ganz konsequent mit einer Lobeshymne schließen: Mit „Driving“ haben Django Deluxe das Kunststück fertiggebracht, sich selbst zu übertreffen. Möge der Musikbetrieb es bemerken und gebührend würdigen. Die Musikliebhaber können es entspannt dabei bewenden lassen, mit großen Ohren staunend zu lauschen und die unbändige Energie ebenso wie die wunderbare Eleganz dieser Aufnahmen zu genießen.
Dirk Brietzke

Foto: PR/Niculai Constantinescu
Label: MPS/edel:kultur

Autor

Dirk Brietzke ist Historiker an der Universität Hamburg und Autor und Herausgeber zahlreicher kultur- und sozialgeschichtlicher Publikationen. Seine Begeisterung für den Jazz lebt er nicht nur in der Theorie, sondern auch in der musikalischen Praxis als Gitarrist aus.

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