Riskant, solch ein musikalisches Selbst-Portrait. Natürlich gibt jeder (wahre) Künstler mit seinem Werk ein Stück seiner Seele preis, doch wer gleich einem ganzen Album den Titel „Self-Portrait“ verpasst, der weckt beim Zuhörer nicht nur Neugier, sondern auch Erwartungen. An eine vielfältige Musiker-Persönlichkeit und eine ganz eigene Note, an Erkundungen, ja Offenbarungen des musikalischen Ichs – gerade im Jazz. Wenn Maria Baptist nun also ihr angestammtes Klaviertrio verlässt und solch einen pianistischen Seelen-Striptease hinlegt, lässt dies aufhorchen: Wie mag es wohl aussehen hinter dem unprätentiösen Äußeren der Berlinerin? Wie tief lässt sie uns in ihr Inneres blicken? Und vor allem: Was verbirgt sich dort an künstlerischer Kreativität und Einfallsreichtum?
Dabei erfindet sie das Genre keineswegs neu, fügt mal einen Hauch von Blues und Klassik, mal ein eingängiges Popballaden-Thema oder auch Folk-Anleihen unter ihre Musik. Doch wie Maria Baptist aus diesem Allgemeingut etwas ganz Persönliches formt, jeder dieser Stimmungs-Miniaturen ein ganz eigenes Timbre verleiht und auf den Tasten ihrer Phantasie einen freien Lauf lässt, der weit über die schlichte Dreiklangsharmonik hinausgeht: Das macht aus Songs wie „Roof Garden“ oder „Blue Hour“ wahre Kleinode. Und so wünsche ich mir insgeheim, diese Kleinode mögen mir in ihrer bisweilen entrückten Intimität bald einmal in einem Konzert begegnen – ganz allein, nur mit dieser Seelenzauberin am Flügel.
Christoph Forsthoff
Foto: Anna Baptist
Label: Maria Baptist Music/Soulfoud