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China Moses: Nightintales

Der britische Pianist John Taylor behauptete einmal: „Was die Leute dafür halten, ist meistens gar kein Jazz.“ Er hatte ja so recht! Und das gilt auch für das neue Album „Nightintales“ von China Moses. Aber: es ist richtig gut. Und wenn wir verhindern wollen, dass Frank Zappas Prophezeiung: „Der Jazz ist noch nicht tot, aber er riecht schon ein bisschen!“ seine olfaktorische Wirkung voll entfaltet, müssen wir akzeptieren, dass sich der Jazz verändert.

Bei China Moses – immerhin der Tochter von Jazz-Legende Dee Dee Bridgewater – hat der Jazz gute Chancen sich in die richtige Richtung zu entwickeln. „Nightintales“ ist im besten Sinne traditionell – sprengt diesen Rahmen aber durch Funk-, Soul- und Popversatzstücke. Schon der Opener „Running“ könnte von Neneh Cherry, Norah Jones oder irgend einer anderen Wandererin zwischen Pop und Jazz stammen.

Viel Zeit ist vergangen seit China Moses 1996 ihre erste Single „Time“ herausgebracht hatte: Ein harmonisch abgerundetes Stückchen Soul-Pop mit viel Frische und Pepp – und trotzdem ganz viel Retro. Ihre Stimme verriet schon damals: Das ist kein nettes unbedarftes Glamour-Sternchen, sondern eine wirklich talentierte Sängerin. Obwohl sie dann auch mit Guru, Étienne de Crécy und anderen Trendstars aus ihrer Wahlheimat Frankreich zusammen arbeitete, ging sie immer mehr in Richtung Jazz und legte 2009 mit „This One’s For Dinah“ eine gelungenes Tribute-Album mit Musik der unvergessenen Jazz-Pop-Lady Dinah Washington vor. Mit „Crazy Blues“ verneigte sich China Moses 2012 vor fast allen großen Blues-Heroinen von Mamie Smith und Helen Humes über Ma Rainey und Esther Phillips bis zu Nina Simone und Janis Joplin – schreckte auch nicht vor Donna Summer zurück.

Aber zurück zum aktuellen Album, das echte Highlights im Angebot hat. Elegant düster und finster (aber jazzig im besten Sinne des Wortes) kommt „Whatever” daher. Und „Hungover” ist fast ein brachialer Rocker, der richtig nach vorne losgeht! Put It On The Line klingt ziemlich bluesig aber auch sehr adult-music-mäßig.

„Disconnected” ist immergrüner Pop-Funk-Jazz, sehr unterkühlt aber kurz vor Schluss fast freejazzig gegen den Strich gebürstet. „Ticking Boxes” könnte man als wohltemperierten Balladen-Pop bezeichnen – wirkt aber mit seinem wunderschönen wenn auch sehr kalkuliert arrangierten Trompeten-Ausklang ziemlich erwachsenentauglich: etwas für die Generation, die schon mit Nordic-Walking-Stöcken unterwegs ist.

Bevor ich es aber vergesse: „Blame Jerry“ – das ist nun verständlicherweise kein Lob – könnte auch bei jeder ARD-Silvesterparty laufen. Irgendwie scheinen dabei dem Produzenten Anthony Marshall die Harmonie-Pferde durchgegangen zu sein.

Ist der Weg schon das Ziel? Kann man so sehen: Muss man aber nicht! „Nightintales“ ist ein wirklich gutes Album mit einigen überragenden Songs – aber auch ein Versprechen an die Zukunft des Jazz. Und China Moses wird uns bestimmt noch viele gute LPs bescheren: Sie ist auf dem richtigen Weg!
Willy Theobald

Foto: Sylvain Norget/PR
Label: Musik Produktion Schwarzwald New (Edel)

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