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Dee Dee Bridgewater: Dee Dee’s Feathers

Dee Dee Bridgewater und Irvin Mayfild, gemeinsam zu hören auf "Dee Dee's Feathers" mit dem New Orleans Jazz Orchestra, Foto: Greg Miles

Waren Sie schon mal in den Salons von New Orleans? So richtig fesch aufgerüscht und in bester Stimmung? Ein lauer Abend direkt am Mississippi wartet auf sie: Kleider rascheln auf einer Veranda nah am Fluss, Marabu-Federn wippen, es gibt einen rauchigen Scotch und feine Musik. Dee Dee Bridgewaters neues Album bringt Ihnen das alles nach Hause. Denn die 65-jährige Jazzsängerin fängt die Atmosphäre unvergleichlich ein. Man hört förmlich, wie die Eiswürfel im Glas klickern, sieht die Rocksäume schwingen, fühlt den Wind in den Uferbäumen. Und ist dort – in New Orleans.

Mit ihrer markanten, fein geschliffenen Stimme lässt sie die Großstadt New Orleans auferstehen. Eine Hommage, sagt Irvin Mayfield, der dieses Album mit seiner Trompete und dem New Orleans Jazz Orchestra (NOJO) bereichert: „Dee Dee beweist mit ihrem Können, dass ‚Big Easy‘ nicht einfach eine Stadt ist, sondern vor allem eine Idee, die Herz und Seele berührt.“ Und das klingt nicht nach früher, sondern frisch, hat Schwung, es wippt und schnurrt, es balzt und gurrt, es wirbt und schwelgt – mit altbekannten Melodien wie „Big Chief“ oder Neukomponiertem wie „C’est ici que je t’aime“.

Das NOJO bettet kongenial ein, was die Sängerin zusammen mit Irvin Mayfield und Gästen an Spielfreude und Temperament zu Gehör bringt. Eigentlich möchte man mal in dieser Konstellation einen der berühmten Umzüge durch New Orleans mitmachen. Schön auch, dass die Titel nicht auf radiogerechte 3.30 min zurechtgestutzt wurden – es dauert halt so lange, wie es dauert, inklusive aller Soli. Und die Musiker potenzieren die relaxte, swingende Atmosphäre, machen selbst winzigstes Mondlicht-Glitzern auf dem Mississippi-Wasser hörbar.

Irgendwann stelle ich mir eine beleibte Mama mit weiten Röcken vor, wie sie ein Hühnchen „Cajun style“ vorbereitet und vor sich hin summt. Die Zeit fließt gemächlich wie der Fluss. Die Stimme der Matrone, pardon von Dee Dee, ist kraftvoll und trägt weit ins Delta. Sie ist dennoch an vielen Stellen so innig, dass man eine intime Verabredung auf der Holzveranda (oder der hiesigen Gartenschaukel) damit bestens untermalen kann.

Das Schöne ist: Das meiste klingt nicht schwermütig nach „Ol‘ man river“, sondern auch in den ruhigen Parts frisch und lebendig. Selbst Armstrongs „What a wonderful world“ plätschert in Dee Dee Bridgewaters Fassung nicht einfach vor sich hin. Die Sängerin verwandelt den sachten Wellengang am Fluss in hoffnungsvolles Flüstern und den mächtig beladenen Schaufelrad-Dampfer, der quasi unüberhörbar vorbeizieht, in ein Aufbruchs-Versprechen. Ähnlich in anderen Titeln: Frisches Hier und Jetzt, ab und zu blitzt ein Banjo hervor, ein Trompetensolo lässt aufhorchen und Dee Dees Stimme verschmilzt mit den Klängen des Orchesters zu einem formidablen Musikbild. Man hört, sieht, fühlt darin nicht nur den Puls der Interpreten, sondern den einer ganzen Stadt.

Dee Dee Bridgewater beweist mit diesem Album erneut ihre große Klasse. Sie präsentiert, was gut in unsere Zeit passt: neben dem Altbekannten in frischen Gewändern auch Neukomponiertes, das modern und kraftvoll, gleichzeitig relaxt daherkommt. Einfach großartig.

„Am meisten beeindruckt mich an diesem Album der Grundgedanke des Triumphes über alle Widrigkeiten… “, schreibt CNN-Moderatorin Soledad O’Brien mit Blick auf die Flutkatastrophe von 2005 in New Orleans. Die CD soll mit ihren Erlösen helfen, dem NOJO im neu eröffneten Jazz Market der Stadt wieder ein Zuhause zu geben. Die Journalistin sieht auch deshalb den Jazz als Teil der Kraft, die eine Wiedergeburt der Region und des Lebens dort möglich machte. Das kommt noch on top, finde ich. Es klingt in jeder Note mit.

„Für mich ist dieses Album eine Hymne auf das Leben“, sagt Dee Dee Bridgewater selbst. Und für uns ein wunderbar sinnliches Erlebnis.
Sabine Meinert

Fotos: PR/Greg Miles (2)
Label: Okeh

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