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Max Raabe: Eine Nacht in Berlin

Max Raabe - Eine Nacht in Berlin ©PR/Marcus Hoehn

Kein anderer als Max Raabe knödelt so hingebungsvoll und gekonnt-altmodisch herzzerreißende Melodien aus den 20ern und 30ern des vorigen Jahrhunderts über Kakteen, zu lange Röcke, unwillige Liebhaber oder Badewannenkapitäne. Die CD und DVD, die nun vorliegen, zeigen ihn und – wie immer – das Palast Orchester beim Zelebrieren einer Nacht in Berlin. Eingeleitet durch ein stilechtes Fahrrad-Solo des Herrn Raabe hin zum Admiralspalast, wo die Party im passenden Ambiente und mit teils angemessen gekleideten Publikum startet. Deshalb schnell das Eisbärenfell vor den DVD-Recorder gezogen und reingeschaltet.

„Ich bin nur gut, wenn keiner guckt“ beginnt Herr Raabe, was die Lüge des Jahrhunderts ist. Denn natürlich ist keiner besser als er, wenn er mit schief gezogenem Kinn und süffisanter Mimik Alltagswirren und kleine Intimitäten vor vollem Saal ausbreitet. Gleich im zweiten Titel schmachtet er einem Mädchen hinterher. Und obwohl man gut gelaunte Musiker und den Herrn im Frack am altmodischen Mikro sieht, hat man doch eine entzückende Kleine im bunten Flatterkleid vor Augen, die durch den jeweils schönsten Sommertag der letzten 90 Jahre hüpft. Ja, das kann Raabe gut: Zuhörer und Zuschauer mit launigen Bemerkungen und stilecht dargebrachtem Liedgut in eine andere Zeit und an andere Orte versetzen. Er knödelt und schnalzt, er säuselt und haucht, er lockt und bezirzt und schafft es zudem, sich stets formvollendet und elegant an der Retro-Technik vorbei zu verbeugen – unnachahmlich.

Das Palast Orchester spielt – wie immer – nicht nur mit hervorragenden Musikern. Das Video zeigt, sie spielen auch alle alles mit. Jeder kriegt sein Spotlight, scherzt und neckt den Nachbarn, trägt mit witzigen Intermezzi – musikalisch und gestisch – zum grandiosen Ergebnis bei. Allen voran natürlich die einzige Frau des Ensembles an der Geige. Und vier der männlichen Raabe-Begleiter zeigen im „Blauen Engel“-Song „Wir sind von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ quasi eine Version à la Comedian Harmonists – 1A! Eine Frosch-ähnliche Handpuppe, die an anderer Stelle schluchzt und Liebesworte ins Mikrofon haucht, bringt mit ihren Soli auch die anderen Herren der Instrumente vor die Linse. Ihnen allen merkt man den Spaß am wiederholten Eintauchen in diese andere musikalische Welt mit all seinen Facetten an.

Und Raabe tut, was er am besten kann. Er präsentiert diese Welt – schelmisch, leicht, salbungsvoll, keck und ironisch. Je nachdem, was grade anliegt. Auf jeden Fall macht er es so reduziert-elegant wie kein anderer im deutschen Show-Biz.

Cole-Porter-Songs sind dabei, Kurt Weill, Friedrich Hollaender und viele andere aus den wilden 20ern. Aber seit drei Jahren stammt jeder dritte Song von Musikproduzentin Annette Humpe und Christoph Israel, die sich mit Max Raabe an Songs mit dem besonderen Touch dieser Zeit wagten. Spätestens bei dem längst bekannten Titel „Küssen kann man nicht alleine“ wissen Sie, was ich meine. Es klingt einfach, als gehörten diese heutigen Songs dennoch in die Zeit der Flapperdresses, Charlestonkleider und Mafiakostüme. Man hat es plastisch vor Augen, obwohl die Regisseure der DVD mit viel Sorgfalt und Freude vor allem Raabe und seine Musiker ins Bild setzen. Und zwar ganz altmodisch und modern in einem: entsättigte Farben, dazu Kachel-Laufbänder, Nahaufnahmen, Kameraschwenks knapp unter der Decke oder Filmprojektionen hinter den Musikern.

Wenn Raabe nach dem Schlussapplaus formvollendet, völlig ungerührt vom nahenden Ende des Abends und absolut liebenswürdig darum bittet, noch ein weiteres Lied vortragen zu dürfen – man kann einfach nur noch schmunzelnd zustimmen. Mein Großvater hätte übrigens bereits nach zwei, drei Liedern kopfschüttelnd gesagt: „Was für alte Schnoken der da singt.“ Schnoken war sein altschlesischer Begriff für Humoresken, witzige Lieder. Und er hätte bis zum Ende mitgesummt. Weil es einfach Spaß macht.

Und wenn Sie nach dem Anschauen nicht wenigstens heimlich einen wilden Charleston auf dem Badvorleger tanzen, dann weiß ich auch nicht. Wenn Sie sich trauen, dann begeben Sie sich ins Wohnzimmer – mit der Oma, die sicher gern noch mal mit einem Schwoof in Jugendzeiten abtaucht. Oder mit den Kindern und dem Hund oder wer sonst noch aus der Familie Lust zum Tanzen hat – Tangos, Chansons und Tanzmusik mit ganz viel Humor liegt grade auf … Herrlich!
PS: Bis Anfang März gibt es zudem fast täglich Konzerte in Deutschland, auf denen die Neuerscheinung vorgestellt wird.
Sabine Meinert

Foto: PR/Marcus Hoehn

Audio

Soundbites der CD

Video

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