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Make it funky! – Maceo Parker live in Hamburg

Maceo HH Fabrik 2013 © Sorgenfrey

Maceo Parker am 16.10.13 in der Fabrik (Hamburg). V.l.: Dennis Rollins (Posaune), Rodney “Skeet” Curtis (Bass), Maceo Parker , Bruno Speight (Gitarre)

Schlag neun sitzt Will Boulware an seinen Keyboards und fängt schon mal an. Bruno Speight und Rodney “Skeet” Curtis, zwei Typen, die lückenlos einen Türrahmen ausfüllen, und Drummer Marcus Parker machen dann auch mal ein bisschen mit. Sutsche! Mit angezogener Handbremse. Dann, so will es das Ritual, kommt Maceos Managerin Natasha Maddison in Jacke und mit Handtasche auf die Bühne, zuppelt Maceos Mikrofon auf ihre Höhe herunter und sagt ihn mit britischem Akzent an, den Godfather of Funk, den „Funkiest Saxophone Player in the World“: Mr! Maceo! Parker!
Nun darf die Band die Bremse lösen und sie geht los, die „Funky Fiesta“. Die Herren machen mächtig Druck, Maceo spielt sein Horn und fängt an mit Call and Response. Zunächst nur auf der Bühne, dann auch mit dem Publikum. Maceo gibt keine Konzerte, sondern hält Hochämter des Funk mit eherner Liturgie. Ausführliche Frage-Antwort-Spiele von „Make It Funky“, „I said: Oooh yeah!“ und „We’re gonna have a funky good time“ gehören dazu. Das Publikum besteht einerseits aus Studenten – und Leuten aus den Ü-40, Ü-50 und Ü-60-Fraktionen andererseits. Maceo weiß, dass das Publikum ihn liebt, und er gibt diese Liebe zurück. „We! Love! You!“
Vor ein paar Jahren noch war Parkers Show in der Fabrik an zwei, oft an drei Abenden hintereinander ausverkauft. Jetzt ist es noch ein Abend. Schwer zu sagen, woran das liegt.
Jedenfalls nicht an der Band. „Sie haben mir gesagt: Wenn die Leute nach zwei Stunden noch da sind und ihr noch Lust habt zu spielen, dann macht halt einfach weiter.“ Und das tun sie auch. Wie immer.
Wenn man sich seinen Tourkalender anschaut, wundert man sich, wie jemand das aushalten kann. Kaum ein Tag ohne Auftritt, verstreut über den ganzen Globus. Das Tempo von früher hält niemand ewig durch. Da hat er die Band an der ganz kurzen Leine geführt, hat für kurze Momente der Erholung gesorgt um danach umso heftiger aufzudrehen. Seit drei Jahren lässt er es ruhiger angehen: Parker fährt die Stücke kurz an und legt alsbald lange Entspannungsphasen ein, die er mit improvisiertem Gesang und ausführlichen Call & Response Spiel füllt. Auch bekommen die Musiker der Band erheblich mehr und längere Soli. Was einstmals kompakt und ungebremst testosterongeladen das Publikum in Trance trieb, ist deutlich lockerer geworden. Maceo muss niemandem mehr irgendetwas beweisen.
Dabei groovt die Band selbst mit bis zum Anschlag angezogener Handbremse immer noch mehr alles andere in dieser Galaxie. Schlagzeug, Bass und Gitarre variieren ihre Riffs ständig, das rhythmische Gewebe ist ständig in Bewegung, es gibt Überlagerungen und neue Konstellationen. Sie gehen nie in einen Loop-Modus. Wenn Bassist Rodney “Skeet” Curtis eines seiner großen Soli hat, spielt er im Wesentlichen nichts anderes als sonst auch. Andere Bassisten wachen in solchen Momenten erst auf – und gehen danach wieder ins Standby.
Darliene Parker (Maceos angeheiratete Nichte) hat mit Ben E Kings „Stand By Me“ ihren großen Auftritt. Sie lädt das Stück krass erotisch auf und legt dabei eine ekstatische Kraft an den Tag, dass zu befürchten ist, dass sie gewöhnlich dem Männchen nach dem Liebesakt den Kopf abbeißt.
Der britische Posaunist Dennis Rollins zelebriert in einem großen retardierenden Moment der Show den Jazz-Standard „When I Fall In Love“ gemeinsam mit Keyboarder Will Boulware. Dass dieses Kabinettstück am Ende etwas clownesk rüberkommt, ist kein Zufall. Darlienes Auftritt, Maceos Ray Charles-Parodie, immer mal eingestreute James Brown-Zitate („Papa’s Got A Brand New Bag“ und unvermeidlich „Sex Machine“) sind klassische Showelemente und passen zum Entertainmentverständnis der USA. Nur auf uns spröde Norddeutsche wirkt das manchmal etwas zu Varieté-mäßig.
Wenn sich Maceo zwischendurch (und weil der Keyboarder das so gern hat) um die berüchtigten zwei Prozent Jazz kümmert und eine Ballade anspielt, zeigt sich seine hohe Kunst des Saxophonspiels in Reinkultur. Niemand schlenzt so lapidar, spielt so präzise und hat ein so unfehlbares Timing wie er. Sein Sound ist so trocken wie Knäckebrot und verzeiht nicht den Hauch eines Fehlers.
Am Ende, nachdem Ms Maddison ihn schon abgekündigt hat und ihre Handtasche in Richtung Ausgang trägt, haut er doch noch seine Dauerbrenner „Shake Everything You Got“ und „Pass The Peas“ raus, weil die Liturgie ohne sie nicht vollständig wäre und die Gemeinde ihn sonst nicht entlassen würde.
70 Jahre alt ist Maceo Parker im vergangenen Februar geworden – wir wollen mit ihm altern. Es wird der Tag kommen, an dem auf der Tribüne die greisen Rollstuhlfahrer aus dem Funky Altersheim ihren Platz finden, um bei Maceo Erquickung und Erlösung zu erheischen. Ich habe vor dabei zu sein.
Sven Sorgenfrey

Line-up:
Maceo Parker, Saxophon, Gesang, Flöte
Dennis Rollins, Posaune
Will Boulware, Keyboards
Bruno Speight, Gitarre
Rodney “Skeet” Curtis, Bass
Marcus Parker, Schlagzeug
Darliene Parker, Gesang

Tourdaten
Maceo Parker: 98% Funky Stuff – My Life in Music (Autobiographie)

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