Simon Spiess Trio: After All

Simon Spiess Trio - After AllAls Opener huschen elegische – fast episch – dahinschwebende Saxophonklänge aus den Lautsprechern. Dann übernimmt die Gitarre, drängelt sich widerborstig durch das Harmoniegestrüpp. Bei zwei Stücken schlüpft die Sängerin Julia Pellegrini mit sprunghaft gehauchten Phrasierungen in die Leadfunktion und versieht die Songs mit einem träumerisch entrückten Latintouch. Ein Talent scheint auch der impulsiv-virtuose Schlagzeuger Daniel Mudrack zu sein. Das Trio um den jungen Schweizer Saxophonisten Simon Spiess hat wirklich Klasse – spielt mit den besten Ingredienzien der Jazzgeschichte und versucht auf Platte Nummer vier Grenzen zu modalen Tonwanderungen abzutasten. Hier wird man an die frühen Sechziger erinnert: als John Coltrane gängige Harmoniestrukturen behutsam aufzulösen versuchte und junge Saxophonisten von Ornette Coleman bis Sonny Stitt den Mainstream mit zornigen Dekonstruktionsversuchen attackierten. Es dauert bis zu Titel Nummer sechs („Reunion“) in dem Spiess erneut zeigt, dass er sich auch in harmonisch ruhigerem – fast lyrischem – Fahrwasser elegant bewegen kann. Der erzählerisch wirkende Ton, den der Saxophonist aus dem Alpenland virtuos beherrscht, dokumentiert in jeder Note, dass auch Instrumentalisten etwas zu sagen haben. Doch gerade hier lauert die größte Gefahr dieses meist eigenständig wirkenden Stils – der Hang zur Geschwätzigkeit. Doch als 26-jähriger Newcomer darf man das: Die Reduktion samt Konzentration auf das Wesentliche ist wahrscheinlich der nächste Schritt. Und bis 29 – einem Alter in dem sich der Saxophonkoloss Sonny Rollins zur Perfektion seines Stils zwei Jahre lang auf eine Brücke zurückzog – hat Spiess ja noch ein bisschen Zeit.
Willy Theobald

Label: Meta Records

CD bei Amazon kaufen