Vieles in ihren Kompositionen ist genau kalkuliert und festgelegt: der Ablauf der Geschichte, die Dramaturgie, der Ton-, Rhythmus und und Klangvorrat. Die konkrete Ausgestaltung ist in Teilen der freien Improvisation überlassen. Aus relativ einfachen Strukturen leitet das Quartett eine Vielzahl von Tönen, Farben, Kontrasten und Ausdrucksformen ab.
Dabei beziehen sie das geräuschhafte Klangspektrum ihrer Instrumente mit ein: Dem Trend zum präparierten Flügel folgend, legt Pianist Julien Touery vor manchem Stück erstmal einen Haufen Gegenstände auf die Seiten, um es dann mit ernsthaftem Gestus klöppeln, glissieren und scheppern zu lassen. Emile Parisien beteiligt sich mit Knacklauten, Hauchen und Rauschen, hellem Wimmern und spitzen Kreischen. Sylvain Darrifourcq ist mit seinem Schlagzeug von Natur aus am dichtesten am Geräusch angesiedelt. Scheinbar verspielt dengelt Darrifourcq an Zithern, mit Drahtkleiderbügeln, Essstäbchen und anderen Gegenständen herum. Er entfacht aber duraus keinen Budenzauber, sondern entdeckt und gebraucht dabei neue Instrumente und deren Klangwelten. Häufig steht er im Zentrum des musikalischen Geschehens: Seine diffizilen rhythmischen Gedankengebäude bilden die Räume, in denen sich seine Bandkollegen austoben. Ivan Gélugne, Bassist in Barock-Ensembles und Big Bands, liefert oft den melodischen Halt inmitten kollektiver expressionistisch-impulsiver Improvisationen.
Auf der Klangkonserve kommt das explosive Geschmisch des Quartetts recht gut rüber, das das Quartett da anrührt. Live kann sich das Publikum deren expressionistischer Energie nicht entziehen. Darrifourcq und Parisien zelebrieren ihre Kompositionen mit einer Energie und Ekstase, die selten geworden ist.
Diese Art Musik können wohl nur Franzosen machen: Sie ist intellektuell und zotenhaft, provokativ und witzig, anarchisch und diszipliniert, verspielt und streng. Kein Wunder, dass Emile Parisien jüngst in Frankreich zum Jazzmusiker des Jahres gekürt worden ist.
Sven Sorgenfrey
Label: Laborie/Edel