Jacob Karlzon © PR/Olaf Heine

Jacob Karlzon: Shine

Da geht die Sonne auf: Es rappelt ein wenig, ein paar einleitende Akkorde und schon gehts los; in Musik gegossene Lichtreflexionen, ein einziges Glitzern wie Sonne auf gekräuseltem Wasser. Karlzon lässt perlen – ein bisschen wie Lyle Mays. Das Stück liegt in Sound, Stimmung und Charakter sehr nahe an den Klassikern der Pat Metheny Group. Man erwartet jeden Moment das notorische Gitarrensynthesizer-Quaken des blauweißgeringelten Grinsemanns.

Das nächste Stück heißt „Bubbles“ und hat auch noch was von dieser kalifornischen Sonntagmorgenfröhlichkeit, zu der Drummer Robert Mehmet Ikiz viel beiträgt, nur ist die Melodie von einer schlichten Naivität, zu der sich Metheny wohl eher nicht hätte durchringen können. „Inner Hills“ und U2-Klassiker „I still haven’t found, what I’m looking for“ setzen tiefgrünelnd sentimentale Kontraste. Die U2-Hymne mal ohne das narzisstische Dauerpathos von Bono zu hören, hat was, aber so richtig überzeugend finde ich Karzons Soloklavier-Interpretation nicht. Mag sein (und das wollte ich immer schon mal schreiben), dass sich die weibliche Hörerschaft davon zu Träumen inspierieren lässt, sich gleich Betty (von den Peanuts) auf Karlzons Piano zu drapieren und mit der Perlenkette zu klimpern…

„Outsourced“ versucht sich zu „Slave-To-The-Rhythm“-Beats am Döner-Sound (George Harrisons „Within You Without You“ ist dagegen ein authentisch exotistisches Stück), und „Metropolis“ wartet mit Bass ’n‘ Drum-Habitus auf. Dafür geht in „One More Day“ nichts, aber auch gar nichts zusammen.

Jacob Karlzon - Shine - CoverFür meinen Geschmack ist das alles ein bisschen zu sehr „holla hier trauen wir uns aber mal was, und hossa, das kann ich auch und das hier erst recht“. Dabei blitzt zwischen dem ganzen elegischen Zeugs auf, dass Karlzon ein ganz, ganz feiner Klavierspieler ist, der ein breites Spektrum an (Jazz-) Stilen exzellent und überzeugend abrufen kann. Das Album wirkt, als spiele Karlzon fröhlich aber mit der Beliebigkeit eines Hochbegabten mal ein bisschen mal hiermit mal damit herum. Wie herrlich wäre es, wenn er etwas fände, woran er sein Herz hängen könnte – wie das wohl klänge?

Sein eigener Anspruch ist aber anders. Er wünsche sich, dass sein Publikum seine Musik in allen möglichen Situationen des Lebens höre. Das habe ich ausprobiert und mir das Album in die Ohren gekippt beim Kochen, Baden, S-Bahn-Fahren, Aufräumen, Mit-dem-Hund-durchs-Feld-Laufen, Fahrradreparieren, Mailslöschen usw. Dabei ging der Filter des Jazzkritikers irgendwann verloren. Und siehe da: Die Musik wurde bei jedem Hören angenehmer, die Melodien lassen sich trefflich mitsummen, der Groove lädt zu Bewegung ein. Nicht nur der Opener macht gute Laune sondern beinahe das ganze Album. Und so freue ich mich geläutert darüber, dass ich mit Jacob Karlzon einen Begleiter gefunden habe, der mir in der dunklen Jahreszeit Licht und Leichtigkeit schenkt.
Sven Sorgenfrey

Foto: © PR/Olaf Heine

Label: Act

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Video: Jacob Karlzon „Shine“ (Albumvideo, YouTube)