Joshua Redman: Walking Shadows

Joshua Redman: Walking ShadowsWenn man Jazz-Freunde mit einem Streichorchester konfrontiert, geraten nicht wenige von ihnen in Panik und geben ihrem Fluchtreflex nach. Schon Charlie Parker hat sich 1950 viele Sympathien mit „Bird with Strings“ verscherzt. Jazzmusiker indes sind froh, wenn sie im gepflegten Ambiente klassischer Konzerttempel auftreten dürfen – anstatt in stickigen Kellerbars gegen wenig konzentrierte Opfer des Verzehrzwangs gegenanspielen zu müssen. Wenn nun auch noch Joshua Redman symphonisch wird, der bei Vertretern der reinen Lehre ohnehin unter dem Verdacht steht, insgeheim eine Karriere als Popsaxofonist anzustreben, warum, bei Coltrane!, sollte man sich das Album anhören?
Weil es großartig ist! Gemeinsam mit Pianist und Produzent Brad Mehldau schafft Redman eine Musik, die der Neoromantik so viel verdankt wie dem Bop. Sehr lyrische Passagen wechseln mit fein inszenierten dramatischen Spannungsbögen. Den durchweg sehr eingängigen Songs mit meist schlichten Harmonien trotzt Redman mit großem Erfindungsreichtum das Letzte an für seine Improvisionen Verwertbarem ab. Mit „Last Glimpse of Gotham“ gelingt ihm eine Apotheose des Belsaxo, von der sich selbst Altmeister Sanborn was abgucken kann. Das ist so dermaßen auf Hochglanz poliert und gleichzeitig stilsicher und lebendig, dass man geneigt ist, über das mit Redmans Ansatz beim besten Willen unjazzbare „Let It Be“ hinwegzuhören.
Sven Sorgenfrey

Label: Nonesuch/Warner

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Joshua Redman: „Walking Shadows“ (Anspieler)
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