José James im Hamburger Stage Club

José JamesJosé James ist entspannt, tiefenentspannt. Die Busladungen von Touristen, die nebenan zur Tarzan-Aufführung in das Musical-Theater „Neue Flora“ strömen, brauchen ihn nicht weiter zu interessieren. Der Jazzsänger hängt vor Konzertbeginn lieber backstage vor dem Kaminfeuer ab. Die Band spielt noch ein Instrumental, da macht er sich langsam gen Bühne auf. Dann legen die fünf Musiker mit dem lockeren HipHop-Groove von „Trouble“ los, ein Song von James‘ neuem Album No Beginning No End, das im Januar sein Debüt für Blue Note bedeutete.
Ehe er zu dem legendären Jazzlabel wechselte, war der New Yorker Sänger mit den panamaischen Wurzeln vom einflussreichen Londoner DJ Gilles Peterson entdeckt worden, 2006 war das. Für dessen Label Brownswood Recordings nahm er zwei Alben auf, eines mit Jazz-Einschlag, eines mit deutlichen R&B-Akzenten. No Beginning No End bringt nun beide Pole zusammen.
An diesem lauen Aprilabend schart José James New Yorker Jazzkunst höchster Güte um sich: Trompeter Takuya Kuroda, Bassist Solomon Dorsey, Kris Bowers an den Fender Rhodes und Richard Spaven an den Drums.
Bei José James zahlt man das Eintrittsgeld jedoch nicht für die Band, man zahlt, um den Mann singen zu hören. Sein warmer Bariton ist wie geschaffen für jede Art von Jazzballade, doch die Bandbreite des Sängers ist weit größer. Er croont wie Nat King Cole, er scattet wie Louis Armstrong und er rappt im Sprechgesangs-Stil von Gil Scott-Heron, dessen politisch engagierter Proto-Rap-Jazzfunk eine große Inspirationsquelle gewesen sein dürfte.
Als der New Yorker gegen Endes des Konzerts „Ain’t No Sunshine“ anstimmt, die Soul-Hymne schlechthin, die selbst die kennen, die Bill Withers nicht von Frank Sinatra auseinanderhalten können, ist das ein beinahe zu nahe liegendes Cover. Aber die Band entwickelt bald einen Jam daraus, in den sie zwei weitere Withers-Songs einwebt, und nimmt sich Zeit für ausschweifende Instrumentalpassagen. Das lange Solo von Keyboarder Kris Bowers ist mehr Fusion- als Kuscheljazz, mehr Weather Report als Al Green.
Und wenn José James nach einer viel zu kurzen Viertelstunde zurück zu „Ain’t No Sunshine“ findet und Withers‘ endlosen „I know, I know, I know”-Sermon rappend mit der Zeile „If I get to Heaven” aus dem Song „Grandma’s Hands“ verbindet, ist das mehr als nur ein Medley, es ist schlicht große Kunst.
Beinahe schade, dass die fünf das Tempo danach wieder herunterfahren. „No Beginning No End“, den Titelsong des Albums, hat James als den „Baby-Maker“ unter seinen Songs beschrieben. Aber zum Schmusen ist der Bass einfach zu tief, das Schlagzeug zu laut, die Trompete zu expressiv – das Territorium der Band ist die Improvisation, nicht die Reproduktion.
Der Stage Club ist nicht der beste Ort für einen hochklassigen Konzertabend. Das Dekor erinnert an eine Hotellobby, die Bühnenbeleuchtung ist zu statisch und grell, und der Glitzervorhang scheint dem Ballsaal eines zweitklassigen Kreuzfahrtschiffes entnommen. Doch José James hat den Club für eine Nacht in eine hippe Brooklyner Jazzbar verwandelt. Das hätten selbst die Touristen von nebenan zugeben müssen.
Jan Paersch